taz.de -- Kommentar zu BDS und Ruhrtriennale: Peinliches Rumeiern
Intendantin Carp lädt eine der israelkritischen BDS-Kampagne nahestehende Band erst ein, dann aus und dann wieder ein. Haltung sieht anders aus.
Einladen, Ausladen, wieder Einladen. Solche Impulse kennt man von Kindergeburtstagen, bei denen die Kleinen spontane Entscheidungen aufgrund von heftigen Gefühlsturbulenzen treffen und dann ganz schnell wieder verwerfen, wenn die Tränen getrocknet sind. Alles halb so wild!
Dass nun ein Kulturfestival ebenfalls nach diesem Modus operiert, ist dann aber doch bizarr. Am Donnerstag ließ die Ruhrtriennale in einer Pressemitteilung wissen, seine Intendantin Stefanie Carp habe die Ausladung der schottischen [1][Band Young Fathers] aus der vorherigen Woche wieder rückgängig gemacht.
Wir erinnern uns: Vergangenen Sommer hatten die Young Fathers von sich aus ihren Auftritt beim Berliner Festival Pop-Kultur [2][abgesagt], mit der Begründung, die israelische Botschaft sei dessen Sponsor. Weitere KünstlerInnen folgten dem Beispiel der Band. Dahinter stand die [3][anti-israelische Lobby BDS], die MusikerInnen zu solchen Boykott-Aktionen anstiftet, um gegen die israelische Palästinenser-Politik zu protestieren. Am 17. Juni hieß es von Seiten der Intendantin Carp noch, die drei Musiker hätten sich nicht eindeutig von der BDS-Bewegung und ihrem Vorgehen distanziert. Damit sei ihr Auftritt in Bochum am 18. August nicht gerechtfertigt.
Von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt
Diese Erklärung erfolgte erst, nachdem Popfans auf der Facebook-Seite der Ruhrtriennale auf die BDS-Sympathie der Young Fathers aufmerksam gemacht hatten und die nordrhein-westfälische Landesregierung damit drohte, die finanzielle Unterstützung für die Ruhrtriennale einzustellen. Carp erklärte nun gestern, sie fühle sich nun von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt. Die einen, die behaupten, wer Israels Regierung kritisiere, sei antisemitisch, und die anderen, von der BDS gesteuerten, die behaupten, wer Israel nicht boykottiere, sei rassistisch.
Ja, es ist schon ein Wirrwarr, nur wie kommt Stefanie Carp da wieder raus? Mit der Wiedereinladung der Young Fathers. Ihren Sinneswandel begründet sie so: Sie lade ja die Band ein und nicht die BDS-Bewegung. Beifall ließ nicht lange auf sich warten, FAZ-Feuilletonist Patrick Bahners bescheinigte Stefanie Carp für ihre neuerliche Entscheidung Mut. Vielleicht meinte er auch Wankelmut, denn das Rumgeeiere um den Auftritt einer zweifelhaften Band ist einfach nur peinlich.
22 Jun 2018
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