taz.de -- Juristisches Nachspiel einer Räumung: Friedel54 vor Gericht

Ein Jahr nach der Räumung des Kiezladens ist der erste Blockierer angeklagt. Der Vorwurf lautet auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Bild: Die Räumung war nicht gerade zimperlich

Berlin taz | 772 Polizeibeamte, 828 Minuten Videomaterial, 47 Ermittlungsverfahren – diese Zahlen aus den Antworten einer Reihe parlamentarischer Anfragen der Linken-Abgeordneten Hakan Taş, Anne Helm und Niklas Schrader erzählen ihre eigene Geschichte vom 29. Juni 2017. An diesem Tag räumte ein Großaufgebot der Polizei den Kiezladen Friedel54 in der Neuköllner Friedelstraße. Etwa 300 Menschen blockierten den Zugang zu den Räumen und wurden, zum Teil äußerst rabiat, von den Einsatzkräften entfernt.

Am Donnerstag (10.15 Uhr, Amtsgericht Tiergarten, Turmstr. 91, Raum 672) findet die erste Verhandlung gegen einen der mutmaßlichen Blockierer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte statt. Der Unterstützerkreis der Friedel54 ruft dazu auf, vor Ort Solidarität zu zeigen. Wie viele von den 2017 angestoßenen Ermittlungsverfahren letztlich vor Gericht landen werden, ist unklar. Eines wurde von Amts wegen gegen einen Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet, er war bei einem unprovozierten Schlag gegen eine Demonstrantin gefilmt worden.

Eine ungewohnte neue Qualität hatte der polizeiliche Einsatz unter anderem durch die mediale Begleitung. So wurde einerseits PressevertreterInnen nur sehr eingeschränkt Zugang gewährt, andererseits begleitete der Twitteraccount der Polizei den Einsatz in Echtzeit. In guter Erinnerung ist Hakan Taş bis heute deren aufgeregter Post über den inzwischen beinahe legendären „Türknauf des Todes“. Polizisten wollten in einem metallenen Knauf und einem in der Nähe liegenden Kabel eine Todesfalle erkannt haben. Was sich noch am selben Tag als komplett unsinnig herausstellte, dominierte als Nachricht über linksextreme Gewalttäter zunächst die Berichte über die Räumung, die Sitzblockaden und Barrikaden im Haus.

Taş wiederholte gegenüber der taz seine Kritik an dieser Übernahme unbelegter Behauptungen. Mit Blick auf zum Teil rechtswidrige Durchsuchungen und Räumungen in den vergangenen 12 Monaten, zuletzt in einem kurdischen Verein, sieht er weiterhin insgesamt Nachbesserungsbedarf in der praktischen Polizeiarbeit: „Wir als Koalition wollen besser werden und unsere Aufgabe als Abgeordnete ist, wachsam zu bleiben.“

4 Jul 2018

AUTOREN

Daniél Kretschmar

TAGS

Friedel54
Polizei Berlin
Hakan Tas
Friedel54
Friedel54
Friedel54
Friedel54
Friedel54

ARTIKEL ZUM THEMA

Polizei-Falschmeldung über Türknauf: „Immenser Schaden für die Friedel“

Mitglieder des Friedel54-Kollektivs klagen wegen einer Twitter-Lüge gegen die Polizei. Ihre Anwältin will der Polizei Grenzen aufzeigen.

Räumung der Friedel54 vor Gericht: Prozess gegen Unterstützer vertagt

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Da ein Zeuge fehlte, konnte die Verhandlung gegen einen Unterstützer des Kiezladens nicht stattfinden.

Friedel54 nach der Räumung: Jetzt eben auf dem Bürgersteig

Im Juni wurde der Kiezladen Friedel54 geräumt. Doch das Kollektiv hinter der Friedel macht weiter – auch, um eine Neuvermietung der Räume zu verhindern.

Friedel 54 nach der Räumung: Suche nach einem Exil

Die Linke möchte dem Kiezladen Ersatzräume verschaffen und den Polizeieinsatz aufklären. Für die Mieter des Hauses wird es brenzlig.

Räumung der Friedel 54: Nach der Party wird abgeräumt

500 Polizisten räumten in einer stundenlangen Aktion den Kiezladen. Sie stießen auf viel Widerstand – und auch auf Beton.