taz.de -- Vermeintlicher Pädophiler verletzt: Lynchjustiz nach Fernsehbericht

Ein TV-Bericht zeigt einen vermeintlichen Pädophilen. Eine Gruppe von Menschen meint, in ihm einen Mann aus Bremen zu erkennen – und verletzt ihn lebensgefährlich.
Bild: Justiz ist nicht die Sache von Privatpersonen, sondern des Staates

Bremen dpa/afp | Nach einem TV-Bericht über Pädophile hat ein Lynchmob in Bremen einen 50-Jährigen in seiner Wohnung zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt – die Polizei sucht noch nach den Tätern.

„Es gibt noch keine Tatverdächtigen“, sagte am Donnerstag der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade. Die Täter waren nach Polizeiangaben der Ansicht, den Mann in dem TV-Beitrag erkannt zu haben. Zudem glaubten sie, die Adresse identifiziert zu haben und suchten diese auf.

Der Mann schwebt mittlerweile nicht mehr in Lebensgefahr. Nach den Ermittlungen geht die Polizei davon aus, dass in dem betroffenen Wohnhaus keine Menschen mit pädophiler Neigung wohnen. Es wird wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ermittelt.

Nach Angaben der Polizei hatten Reporter in dem zur Mittagszeit ausgestrahlten Beitrag geschildert, wie sie im Internet Kontakt zu vermeintlichen Pädophilen herstellten. Dabei wurde auch ein Mann gefilmt, „dessen Verhalten durch die Reporter als verdächtig beschrieben“ worden sei, erklärten sie. Diesen Mann meinten die Täter im Stadtteil Bremen-Nord demnach wiedererkannt zu haben.

Die Polizei verband ihre Mitteilung mit einer scharfen Warnung vor Selbstjustiz. Niemandem stehe zu, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen. „Keine Form und kein Anlass für Selbstjustiz sind tolerierbar“. Das sei Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft.

14 Jun 2018

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