taz.de -- Vor G7-Gipfel in Kanada: Spitzentreffen wird zur Wackelpartie
Als Gastgeber will Kanadas Premier Trudeau das Treffen für seine progressive Agenda nutzen. Trump könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen.
Vancouver taz | Es soll sein goldener Moment werden. Ein Triumph auf internationaler Bühne, umrahmt von einigen der mächtigsten Frauen und Männern der Welt. Garniert mit Erfolgen bei Themen, die ihm am Herzen liegen: dem Klimaschutz, der Gleichheit der Geschlechter, der internationalen Kooperation. So hat sich Justin Trudeau den G7-Gipfel gewünscht, der am Freitag in seiner Heimat in Québec beginnt.
Doch statt einem Gipfel mit schönen Bildern und progressiver Agenda droht dem Gastgeber jetzt der Streit. Der kanadische Premierminister muss befürchten, dass ihm das alljährliche Treffen der sieben wichtigsten westlichen Staats- und Regierungschefs um die Ohren fliegt. Nicht mehr und nicht weniger als die Existenz der G7 steht zur Frage und für Trudeau geht es darum, zu retten, was zu retten ist.
Das liegt an Trudeaus amerikanischem Gegenpart Donald Trump, zu dem er bislang eigentlich einen ganz guten Draht gehabt hatte. Doch seit Trump sich aus dem Klimaschutzabkommen von Paris zurückgezogen, das Nuklearabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt und Kanada und die EU mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium überzogen hat, ist innerhalb der G7 nichts mehr, wie es einmal war.
Das gilt auch für das Gipfelprogramm von Charlevoix. Eigentlich wollte Trudeau Fragen wie die weltweite Armut, den Schutz der Weltmeere oder die Schulausbildung von Mädchen in den Vordergrund stellen. Nun aber dürfte das Treffen von den Konflikten zwischen Kanada und den EU-Ländern auf der einen Seite und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite überschattet werden.
Zerfall befürchtet
Schon ist von einem Zerfall der G7 in eine Art G6 plus eins die Rede. Während Kanada und die EU die G7 als konsensorientierte Freihandelsgemeinschaft erhalten und Trump auf dem Gipfel wegen seiner Handels- und Iranpolitik stellen wollen, verfolgt dieser immer stärker nationalstaatliche Ziele – und will dagegenhalten. Womöglich wird Trump die Konflikte sogar noch verschärfen.
So denkt das Weiße Haus laut Washington Post bereits über neue Strafzölle für Kanada nach, als Gegenschlag für die jüngsten Vergeltungsmaßnahmen aus Ottawa. Auch Abgaben auf EU-Autos sind im Gespräch. In Kanada hegt man schon die Befürchtung, dass der notorisch unberechenbare US-Präsident den Gipfel in Charlevoix für derartige Querschüsse nutzen und das Treffen sprengen könnte.
Ausgeschlossen ist das nicht, denn die Beziehung zwischen dem Gastgeber und seinem US-Gast ist gereizt. Das letzte Telefonat der beiden soll laut US-Medien [1][bissig gewesen sein]. Als Trudeau den Präsidenten fragte, warum Kanada aus Gründen der nationalen Sicherheit mit Zöllen überzogen werden soll, habe dieser gekontert: „Wolltet ihr nicht schon mal das Weiße Haus niederbrennen?“
Gereizte Stimmung
In Kanada kam das gar nicht gut an. Denn gemeint war damit ein militärischer Vorfall aus dem britisch-amerikanischen Krieg von 1812. Damals hatten britische Truppen unterstützt von kanadischen Söldnern Washington in Schutt und Asche gelegt, nachdem die Amerikaner zuvor britische Besetzungen im heutigen Kanada angegriffen hatten. Wichtige Gründe für den Krieg: Handel- und Wirtschaftsfragen.
Gereizt reagierte Trudeau am Mittwoch außerdem auf den Vorstoß Trumps, das nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko in seiner jetzigen Form aufzugeben und durch bilaterale Verträge zu ersetzen. Man kenne den Wunsch des Präsidenten, lehne ihn aber ab, betonte Trudeau und fügte später hinzu, auf dem Gipfel werde es „sehr freimütige“ Diskussionen geben.
Als Trudeau vor zweieinhalb Jahren ins Amt kam, tat er dies mit dem Versprechen, nach Jahren einer eher nach Innen gewandten Politik Kanadas wieder internationale Organisationen stärken zu wollen, die Nato, die Vereinten Nationen, auch die G7. Der Gipfel in Charlevoix sollte die Krönung dieser Neuausrichtung werden. Wenn, ja wenn da nicht Donald Trump gewesen wäre.
7 Jun 2018
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