taz.de -- Kommentar zu „Maischberger“ und Islam: Mediation statt Provokation

Die ARD-Talkshow über den Islam lockt mit Angstmache und bietet dann plätschernde Gesprächstherapie. Genial oder fatal?
Bild: Gibt öffentlich-rechtliche Kurse in gewaltfreier Diskussion: Sandra Maischberger

Wenn schon Julia Klöckner mahnt, man möge doch bitte „net so holzschnittartig herangehen“, dann sind wir bei einem Polittalk in der ARD im Juni 2018. Die Ministerin, bei der aus einem [1][verweigerten Handschlag] gleich ein ganzes Buch über Vollverschleierung, Beschneidung und Ehrenmorde geworden ist, hat in der Maischberger-Runde am Mittwochabend dann doch die Differenzierung vermisst.

Und genau dahin wollten Sandra Maischberger und ihre Redaktion die Gäste offenbar auch führen, als sie Anfang der Woche ihren Sendungstitel bestimmte. „Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“ (Zwischendurch abgeschwächt, aber vom Internet [2][natürlich archiviert].)

In einer von NS-Relativierungen und einer [3][Plasberg-Sendung] über kriminelle Flüchtlinge bereits überstrapazierten Diskurswoche klingt das nach Öl im Feuer. Zumal die Mittwochs-Talkrunde obendrein an die Ausstrahlung von „Unterwerfung“ anschloss, der eigens von der ARD verfilmten [4][Islamdystopie des französischen Autors Houellebecq].

Im Stuhlkreis saßen neben Klöckner die (äußerst holzschnittartige) Islamkritikerin Necla Kelek, Haluk Yildiz von der gar nicht mal so bedeutsamen Migrant*innen-Partei BIG, Spiegel-Autor Jan Fleischhauer (Kichern in der Runde, als es um „Schweinefleisch“ geht) und Bettina Gaus von der taz, deren Performance wir hier aus Befangenheitsgründen nicht diskutieren. Allein aufgrund der Gäste und der Reizwortdichte („Opferkarte“, „Vorauseilender Gehorsam“, „Burkini“, „Afrika“) hätte es eine Schlammschlacht sein müssen.

Stattdessen aber erprobte sich Sandra Maischberger in den Grundregeln der Gruppenmediation und machte aus ihrer im Vorfeld hochkontrovers diskutierten Sendung eine plätschernde Gesprächstherapie. „Können Sie das verstehen, was Frau Klöckner da sagt?“ „Frau Klöckner, was war das für ein Gefühl, als man ihnen den Handschlag verweigert hat?“.

Lehrstunde in gewaltfreier Kommunikation

Alle Parteien dürfen einmal ihre Gefühle mitteilen, die Zuhörenden sollen signalisieren, dass sie gehört und verstanden haben. Über den Umweg der Provokation fand man mittels Empathie schließlich zu so etwas wie Differenzierung.

Das ist eigentlich ziemlich genial: Die ganze Nation mit einem Holzhammer-Sendungstitel vor die Bildschirme locken, und dann kollektiv in gewaltfreiem Diskussionsverhalten schulen. Öffentlich-rechtlicher Auftrag erfüllt.

Leider verfestigt all das auch die Vorstellung, dass jede noch so pauschalisierende Behauptung über „den Islam“ als gleichberechtigtes Argument neben allen anderen stehen darf – solange man nur nett zueinander ist.

7 Jun 2018

LINKS

[1] /Kolumne-Gott-und-die-Welt/!5237379
[2] https://twitter.com/SophiePassmann/status/1003992872054546433
[3] /Hart-aber-fair-in-der-Kritik/!5510366
[4] /Michel-Houellebecqs-neuer-Roman/!5024175

AUTOREN

Peter Weissenburger

TAGS

Islam
Maischberger
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Hart aber fair
Maischberger
Deutscher Fernsehpreis
Maischberger
Maischberger
Sexuelle Übergriffe

ARTIKEL ZUM THEMA

Maischberger-Fake: Satiriker*innen sollen nicht klauen

Das Zentrum für Politische Schönheit fakte eine Gauland-Ausladung der ARD-Talkshow Maischberger. Die Produktionsfirma reagiert offenbar per Anwalt.

Forderungen von DrehbuchautorInnen: Weil sie es sich wert sind

Mehr Kontroll- und Mitbestimmungsrechte: Zahlreiche DrehbuchautorInnen haben sich zur Initiative „Kontrakt 18“ zusammengeschlossen.

Framing in politischen Talkshows: Das „Wir“ und das „Die“

Bilden Talkshows wie „Maischberger“ und „hart aber fair“ einfach nur Debatten ab? Oder helfen sie, den Diskurs nach rechts zu schieben?

Talkshow über ARD und ZDF: Monologe bei Maischberger

Die Maischberger-Debatte über ARD und ZDF bildet gut ab, wie widersprüchlich die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft ist.

Österreichs Kanzler bei „Maischberger“: Kurz kurz erklärt

„Wunderknabe oder politischer Scharfmacher?“: Unter diesem Motto stand Sebastian Kurz' Auftritt in der ARD-Talkshow „Maischberger“.

Maischberger-Talk zu sexueller Nötigung: Fast nie schuldig gesprochen

Beim ARD-Themenabend ging es um sexuelle Nötigung, Lügen und Vorurteile. Der Fokus auf mögliche Falschaussagen war schwer erträglich.