taz.de -- Bundesverdienstkreuz für Dunja Hayali: Orden gegen Hass
Bundespräsident Steinmainer verteilt Orden. Auch Hannes Ley und Dunja Hayali, die sich gegen Onlinehetze engagieren, bekommen einen.
Berlin taz | Soziale Medien ohne Hass, ohne Hetze und ohne Fake News. Eine Zustandsbeschreibung ist das leider nicht, sondern das Ziel der Facebookgruppe #ichbinhier. Diese wurde im Sommer 2015 von dem Hamburger Marketing-Unternehmer Hannes Ley ins Leben gerufen. Nach dem Vorbild der schwedischen Gruppe #jagärhär versuchen die rund 37.000 Mitglieder der Gruppe in Deutschland Hate Speech sachliche und respektvolle Kommentare entgegenzusetzen. Gemeinsam identifizierten sie Schmähungen, Beleidigungen und Hassäußerungen im Netz, schreiben „Gegenkommentare“ und leiteten diese weiter.
Am Dienstag hat Ley nun für dieses Engagement vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue das Bundesverdienstkreuz erhalten. Neben Ley wurden 23 weitere Bürger*innen für ihr Engagement für Freiheit und Demokratie sowie gegen Rechtsextremismus und Gewalt mit dem Orden ausgezeichnet. Anlass ist der 69. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 23. Mai.
Die Ordensträger*innen setzten sich in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen ein – vom Versuch, den Klimawandel zu stoppen, bis hin zum Sprachunterricht für Geflüchtete. Zu den neuen Ordensträger*innen zählen beispielsweise Sabine und Daniel Röder, die Initiator*innen der Bürgerinitiative „Pulse of Europe“. Aber auch die Journalisten Peter Merseburger und Günther Nonnenmacher für ihre Vorbildfunktion für kritischen und faktenbasierten Journalismus.
In seiner Rede würdigte Bundespräsident Steinmeier die Digitalisierung als neue Möglichkeit zum Engagement. Doch die Digitalisierung fördert nicht nur das Engagement, sondern bringt auch neue Probleme mit sich. Die vergangen Jahre haben gezeigt, dass sich mithilfe von sozialen Medien Wahlen beeinflussen, Kriminalität einfacher organisieren sowie Hass und Hetze schneller verbreiten lassen. Vieles, was Steinmeier anspricht, wie Fake News oder Rechtsextremismus, hat längst seinen Weg von der analogen in die virtuelle Welt gefunden. Deswegen findet auch der Kampf für Freiheit und Demokratie sowie gegen Rechtsextremismus und Gewalt immer häufiger im Netz statt.
Gesetze allein helfen da nicht, so sieht es auch Steinmeier: „Auf dem Papier kann man die schönste Verfassung entwerfen, aber ob sie funktioniert, hängt von mehr ab, als von Paragrafen und Institutionen.“ Das zeigt sich auch nach vier Monaten NetzDG. Mit dem Gesetz wurde versucht, komplexe gesellschaftliche Fragen mit einfachen Antworten zu lösen. Doch Hass im Netz ist noch immer vielfältig sichtbar.
Bei einem Blick auf die jeweils zwölf weiblichen und männlichen Träger*innen des Verdienstordens fällt auf, dass neben Ley nur zwei von ihnen für ihr Engagement im Netz ausgezeichnet wurden: TV-Moderatorin Dunja Hayali und Buchautorin Juli Zeh. Hayali ermuntere andere dazu, gegen Beleidigungen vorzugehen. Zeh wurde für ihren Kampf für bürgerliche Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter ausgezeichnet.
Steinmeier appelliert an diesem Dienstag immer wieder an alle Bürger*innen: „Wir brauchen Menschen, die Probleme nicht beklagen und darauf warten, dass der Staat oder die Politik sie lösen, sondern die selbst aktiv werden.“ Deswegen hätten die Ordensträger*innen auch eine Vorbildfunktion – sie sollen andere motivieren, sich selbst gegen Rassismus, Hass und für die Demokratie einzusetzen.
Solcher Einsatz ist wichtig und wird mit dem Fortschreiten der Digitalisierung vermutlich immer wichtiger. Kampagnen im Netz bewirken manchmal mehr als eine Demonstration auf der Straße. Wenn der Verdienstorden auch eine „Motivation für die Zukunft und die jüngere Generation“ sein soll, wie Steinmeier sagt, dann müssen auch weitere Preisträger*innen, die sich im Netz engagieren, hinzukommen.
Hoffnung für diese Entwicklung gibt es. Steinmeier gelobte in seiner Rede: „Ich möchte herausragendes digitales Engagement künftig noch öfter auszeichnen.“
22 May 2018
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