taz.de -- Folgen falscher Bamf-Entscheidungen: Langer Weg bis zu „rechtswidrig“
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss tausende Asylbescheide überprüfen. Unregelmäßigkeiten allein heben noch keinen davon auf.
Freiburg taz | Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat großflächig mit der Überprüfung von positiven Asylbescheiden der Bremer BAMF-Außenstelle begonnen. Bescheide, die sich als rechtswidrig entpuppen, werden zurückgenommen. Je nach der konkreten Situation können die Betroffenen dadurch ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren.
In einem ersten Schritt hat das BAMF seit Oktober 2017 bereits 4.568 positive Asylbescheide geprüft, an denen zwei bestimmte Anwaltskanzleien beteiligt waren. Eine davon dürfte die Kanzlei von Anwalt Irfan C. aus Hildesheim sein, der ein besonders enges Verhältnis zur damaligen Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle, Ulrike B., hatte. Aber nur etwa 30 Prozent dieser 4.568 Verfahren wurden in Bremen bearbeitet.
Bei den in Bremen entschiedenen Fällen dieser beiden Kanzleien gab es in 73 Prozent der Fälle Unregelmäßigkeiten („Implausibilitäten“). Das heißt, dass zum Beispiel der Sachverhalt oder die Einreise über ein anderes EU-Land nicht ausreichend geprüft wurde, so BAMF-Chefin Jutta Cordt am Freitag. Das allein macht den Asylbescheid aber noch nicht rechtswidrig. Das wäre erst der Fall, wenn zum Beispiel eine falsche Identität angegeben wurde oder der Antragsteller Asyl erhält, obwohl sein Antrag eigentlich abzulehnen war. Aber für immerhin 40 Prozent der Bremer Entscheide der beiden Kanzleien hat Cordt nun ein Rücknahmeverfahren eingeleitet.
Zusätzlich hat Cordt jetzt eine neue Prüfung angeordnet. Es sollen alle rund 18.000 positiven Asylbescheide der Bremer Außenstelle ab dem Jahr 2000 überprüft werden – unabhängig davon, welche Anwaltskanzleien beteiligt waren.
Die Rücknahme von rechtswidrigen Asylbescheiden läuft nach einem festgelegten Verfahren. Zunächst werden Ausländer- und Sicherheitsbehörden gefragt, ob Erkenntnisse gegen den Ausländer vorliegen. Dann kann der betroffene Ausländer eine Stellungnahme abgeben. Anschließend hat das BAMF ein Jahr Zeit, über die Rücknahme zu entscheiden; wenn Bestechung im Spiel war, auch länger.
Kein klaren Belege für Bestechung
Bei der Rücknahme von positiven falschen Asylbescheiden muss in der Regel eine Abwägung der staatlichen und der persönlichen Interessen stattfinden. Diese Abwägung entfällt jedoch, wenn der Ausländer den Asylbescheid durch Bestechung, Bedrohung oder arglistige Täuschung erwirkt hat.
Auch das Verhalten seines Anwalts wird ihm zugerechnet. Kein Vertrauensschutz besteht auch, wenn der Ausländer falsche oder grob unvollständige Angaben gemacht hat oder wenn er weiß, dass der Asylbescheid falsch ist. Wenn etwa ein Ägypter einen Asylbescheid erhält, in dem er als Syrer bezeichnet wird, dann weiß er, dass dieser Bescheid falsch und rechtswidrig ist.
Ob es in Bremen Bestechungsfälle gab, ist noch völlig unklar. Dass ein Ausländer seinem Anwalt tausend Euro in bar gegeben hat, wie der Spiegel „enthüllte“, ist kein Beleg für Bestechung von BAMF-Mitarbeitern, sondern könnte einfach bedeuten, dass der Anwalt für seine Arbeit bezahlt wurde (und vielleicht aus steuerlichen Gründen Barzahlungen bevorzugt).
Im Rücknahmeverfahren wird aber auch geprüft, ob der Ausländer aus anderen Gründen Asyl oder subsidiären Schutz erhalten muss oder ob sonstige Abschiebehindernisse (wie Reiseunfähigkeit) bestehen. Nur wenn der Ausländer tatsächlich keinen Schutzanspruch hat, wird die Abschiebung angeordnet. Eine Überstellung in ein anderes EU-Land ist dann nicht mehr möglich.
22 May 2018
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Weil die Bamf-Mitarbeiter viele Asyl-Entscheidungen neu überprüfen müssen, sollen sie mehr Zeit bekommen. Für schon anerkannte Flüchtlinge bedeutet das Psychostress.
Die deutsche Asylpolitik ist für Tausende von ertrunkenen Flüchtlingen mitverantwortlich. Was ist falsch daran, sich dieser Politik nicht zu unterwerfen?
Innenminister Seehofer (CSU) zieht Konsequenzen aus dem Bremer Skandal. Er verbietet der Bamf-Außenstelle weitere Entscheidungen in Asylverfahren.
Die Affäre um Asylbescheide in Bremen hat weitere Konsequenzen. Nun verbietet Innenminister Seehofer der Bremer Bamf-Außenstelle vorerst Asylentscheidungen.
Die Grüne Luise Amtsberg erklärt, warum ihre Fraktion in der Bamf-Affäre noch keinen Untersuchungsausschuss fordert – anders als FDP und AfD.
Was war los in der Bremer Außenstelle des Bamf? Kollegen schildern die ehemalige Leiterin als eine Frau, die helfen wollte.
In Bremen sollen Hunderte Asylanträge zu Unrecht positiv entschieden worden sein. Nun werden weitere Außenstellen geprüft und Dolmetscher nachgeschult.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge überprüft nun viele Tausend positive Asyl-Entscheidungen. Große Unregelmäßigkeiten erwartet die Bamf-Chefin nicht.
Josefa Schmid gilt als Zeugin gegen ihre Vorgängerin, die unrechtmäßig Asyl gewährt haben soll. Sie kämpft vor Gericht gegen ihre Versetzung von Bremen nach Bayern.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge versetzt die Leiterin der Bremer Außenstelle, Josefa Schmid, nach Bayern. Um sie zu schützen.
Eine Ex-Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge soll in über tausend Fällen Asyl gewährt haben, ohne dass die Voraussetzungen gegeben waren.