taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Referat halten leicht gemacht
Inhaltliche Schwächen? Egal! Wer eine gute Präsentation abliefern möchte, sollte sich die von Benjamin Netanjahu über den Iran angucken.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einer Berufsgruppe künftig viel Arbeit erspart: Lehrer*innen.
Nie wieder müssen diese sorgfältig konzipierte Thesenpapiere verteilen mit Überschriften wie „Die Dos und Don’ts eines guten Referats“. In Zukunft müssen sie nur noch [1][ein Video von Bibi] (wie er in Israel mehr oder weniger liebevoll genannt wird) Netanjahus distinguiertem Referat zeigen, das er am Sonntagabend vor laufenden Kameras der Popcorn mampfenden Welt präsentierte.
Bibi wollte den Iran seiner Lügen und Intrigen überführen, veranschaulichen, dass der Staat das seit 2015 geltende Atomabkommen mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland torpediert.
Was ein gutes Referat braucht, ist eine starke These. Und die hatte er: Iran lied. Iran hat gelogen. In dicken schwarzen Buchstaben auf weißem Hintergrund, was für ein Effekt! Kein Schnickschnack, kein Gebamsel, nur plain and simple, diese Erkenntnis auf der Leinwand. Hammer.
„Anschauungsmaterial“
Auch sonst hatte diese schon jetzt legendäre Power-Point-Präsentation alles, was Lehrer*innenherzen höher schlagen lässt: rot umrandete Begriffe, Bilder, Vergleiche, allen voran: „Anschauungsmaterial“.
Was früher im Biounterricht noch der verstörte Hamster war, der im Rädchen rannte, ist jetzt ein spektakulär enthülltes Regal mit bunten Aktenordnern – eine originalgetreue Nachstellung der Regale, aus denen der Mossad die riesigen Datenmengen in einer nächtlichen Operation gemopst hatte. Wer kann schon ein Regal mit Aktenordnern imaginieren? Eben.
Und, nein, da hat einer auch nicht von Wikipedia abgeschrieben, sondern original iranische Dokumente präsentiert! „Hier ein original iranisches Foto von XY und da die Simulation einer nuklearen Explosion“ – eine Gegenüberstellung, die einfach immer irgendwie passt. Zugegeben: Einige Folien sahen dann doch so aus, als hätte Bibi sie übermüdet noch am Abend zuvor eingefügt, weil so ein Referat ja immer plötzlicher kommt, als man denkt. Geschenkt.
Dafür, dass die Erkenntnisse sich nur auf die Jahre vor 2015 bezogen und damit nicht bewiesen ist, dass der Iran nach Abschluss des Abkommens tatsächlich gelogen hat, muss Bibi ein halber Notenpunkt abgezogen werden. Aber sagen wir trotzdem: eine glatte Eins.
4 May 2018
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Iran-Deal, die bevorstehende Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem und weitere Gaza-Proteste: Israel stellt sich auf unruhige Zeiten ein.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat sich für seine antisemitische Bemerkung zum Holocaust entschuldigt. Die israelische Regierung nimmt ihm die Reue nicht ab.
Der Holocaust sei eine Folge vom Wucher der Juden. Mit solchen Provokationen sorgt Abbas für Schlagzeilen. Doch das wird ihm nicht helfen.
Der Holocaust sei durch das „soziale Verhalten“ der Juden ausgelöst worden, sagt der Palästinenserpräsident. Es ist nicht das erste Mal, dass er durch Antisemitismus auffällt.
Iran will die Atombombe? Für diese Erkenntnis braucht es keinen Netanjahu. Viel akuter ist die Konfrontation Teherans an Israels Grenze.
Netanjahu schimpft Iran „Lügner“ und legt Beweise vor, die ein Ziel haben: das Atomabkommen mit Iran torpedieren. Er setzt dabei auf die USA.