taz.de -- Kommentar Migrationsagenturen: Abschieben hier, integrieren da
In der einen Migrationsagentur wird Flüchtlingen bei der Integration geholfen – in der anderen werden sie isoliert und entmutigt. Das ist völlig absurd.
Die Grundidee ist dieselbe: alle Behörden, die mit Flucht- und Asylfragen zu tun haben, an einem Ort zusammenlegen und so die Vorgaben der Asylpolitik effizienter umsetzen. Das klingt sinnvoll. Nur: Wie sinnvoll ist es, wenn diese Orte unterschiedliche, ja sogar konträre Ziele verfolgen? Je nachdem, ob die Bundesregierung abschieben – oder ein Landkreis integrieren will?
Wie widersinnig das Ganze ist, zeigt sich, wenn man die in Berlin geplanten „Anker-Zentren“ für Geflüchtete vergleicht mit den in, zugegeben vereinzelten, Landkreisen erdachten Migrationsagenturen. Die Orte könnten unterschiedlicher kaum sein, obwohl dort größtenteils dieselben Behörden untergebracht sein werden. Denn während hier von Amts wegen versucht wird, Asylsuchende beim Ankommen zu unterstützen, sollen sie dort künftig schon bei Ankunft isoliert und entmutigt werden.
Es sagt einiges, dass die Migrationsagentur im sachsen-anhaltischen Naumburg neben Ausländerbehörde und Bamf auch Jugend-, Sport- und ein Standesamt umfasst und auch Einbürgerungsurkunden vor Ort ausstellt. Bei den Anker-Zentren sind diese Angebote wohl unnötig. Zumindest, wenn die Zentren so gestaltet werden wie deren bayerische „Vorbilder“ in Bamberg und Manching.
In diesen beiden „Transitlagern“ soll niemand Arbeit finden, geschweige denn integriert werden. Wer hier ankommt, soll das Lager nicht mehr verlassen – außer zur angestrebten „Rückführung“. Der Stacheldraht vor Ort lässt daran keinen Zweifel. Solche Massenlager treten nicht nur die Menschenrechte mit Füßen, sie stoßen auch viele Beamte und Ehrenamtliche vor den Kopf, die sich ehrlich bemühen, Menschen hier eine neue Heimat zu ermöglichen.
Und die ist nicht per Abschiebeflug zu erreichen – sondern nur durch Integration. Wenn es die Bundesregierung also ernst meint mit einer humanen Asylpolitik, dann sollte sie sich nicht nur an Bayern orientieren.
30 Apr 2018
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Jeder vierte Geflüchtete hat inzwischen einen Job. Laut einer aktuellen Erhebung reicht der Lohn nicht immer zum Überleben.
Immer wieder hat eine Schleuserbande mit dem gleichen Trick Aufenthaltstitel für rund 200 Menschen illegal besorgt. Die Gruppe ist nun angeklagt.
Zwanzig Menschen teilen sich ein Bad, die Dusche geht nicht. Es sieht aus wie in einer Ruine. Das ist Bayerns Vorbild für Seehofers „Ankerzentren“.
Die Gewerkschaft der Polizei übt scharfe Kritik an den Plänen des Innenministeriums. Den Bundesländern fehlen weiter konkrete Informationen.
Seehofers Plan für das Modell eines Abschiebezentrums nimmt langsam Gestalt an. Die Bundespolizei soll für die Einrichtungen verantwortlich sein.
Asylbewerber sollen durch die Auszahlung von Geld- und Sachmitteln dazu gebracht werden, in ihre Heimat zurückzukehren. Ein perfides Vorgehen.