taz.de -- Beschleunigung der Verfahren: Frankreich verschärft sein Asylgesetz
Trotz Widerstandes im Parlament und Protesten auf der Straße: Die französische Nationalversammlung hat erneut Gesetzesänderungen durchgewunken.
PARIS taz | Die französische Nationalversammlung hat weitere Gesetzesverschärfungen für die Asyl- und Immigrationspolitik verabschiedet, die in den vergangenen Jahren bereits mehrfach verschärft wurde. Die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen gehen fast ausschließlich in Richtung einer Beschleunigung der Asylverfahren: Asylgesuche sollen zukünftig innerhalb von sechs, statt wie bisher elf Monaten beantwortet werden. Das dürfte die Asylbehörde Ofpra vor organisatorische Probleme stellen und dazu führen, dass viele Anfragen aus Zeitgründen nicht seriös geprüft, sondern kurzerhand abgelehnt werden.
Im Fall eines negativen Ofpra-Entscheids wird die Frist, Widerspruch dagegen einzulegen, auf 15 Tage verkürzt. Wer in Abschiebehaft kommt, kann dort bis zu 90 Tage festgehalten werden, statt wie bisher 45 Tage. Weiterhin bleibt es legal, Kinder in den gefängnisartigen Abschiebezentren zu inhaftieren. Das bereits existierende „Delikt der Solidarität“ für private Flüchtlingshelfer bleibt bestehen und wird nur durch geringfügige Ausnahmen – zum Beispiel für Rechtsauskünfte oder Beherbergungen in Notsituationen – gelockert.
Der Kontext
Die französische Staatsführung reagiert mit der Gesetzesrevision auf ein Flüchtlings- und Migrationsproblem, auf das die EU bisher keine gemeinsame humane Antwort hat. In Frankreich drängt die konservative und extreme Rechte fast unisono in Richtung einer verschärften Repression. Die Rechtsparteien Les Républicains und Front National wollen sogar die traditionelle Einbürgerung nach dem Prinzip des Geburtsorts (genannt „ius soli“) infrage stellen. Im Vergleich mit Deutschland nimmt Frankreich indes sehr viel weniger Flüchtlinge auf. Von derzeit etwa 100.000 Asylanträgen bewilligen die französischen Behörden nicht mal ein Drittel.
Die Reaktionen
Die Parteien der rechten Opposition haben ebenso wie die Linksparteien die Regierungsvorlage abgelehnt – allerdings mit völlig gegensätzlichen Argumenten. Neu war aber, dass sich auch innerhalb der Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) Widerstand regte. Rund ein Dutzend der LREM-Abgeordneten haben sich aus Protest der Stimme enthalten. Der Exsozialist Jean-Michel Clément hat als Einziger mit einem Nein die Fraktionsdisziplin gebrochen und seinen Rücktritt aus LREM eingereicht.
Die Konsequenzen
Der Inhalt der Vorlage und die Debatte darüber hat deutlich gemacht, dass Präsident Macron und die von LREM getragene Regierung in dieser entscheidenden Gesellschaftsfrage weder in der Mitte noch sozialliberal-links stehen, sondern ganz in der Tradition rechtsbürgerlicher Vorgänger wie Nicolas Sarkozy. Außer der politischen Linken sind vor allem humanitäre Organisationen geschlossen gegen eine immer restriktivere Behandlung von Flüchtlingen, deren Rechte auf Schutz im Namen einer effizienteren Prozedur durchlöchert werden.
23 Apr 2018
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