taz.de -- Dicke Luft bei den Grünen: Linnert für „weiter so“

Der grüne Parteivorstand und die designierte Spitzenkandidatin verteidigen sich gegen Kritik von der Basis.
Bild: Strahlen zumindest beim Fototermin: Karoline Linnert, Maike Schaefer und Anja Stahmann

BREMEN taz | Unbeeindruckt von der scharfen innerparteilichen Kritik an der grünen Personalpolitik zeigen sich der Landesvorstand der Grünen und Finanzsenatorin Karoline Linnert.

Sie soll 2019 zum fünften Mal in Folge als grüne Spitzenkandidatin in den Wahlkampf ziehen. Das hat der Parteivorstand einstimmig beschlossen und zugleich das Konzept [1][„Drei starke Frauen für Bremen“] ausgerufen. Linnert soll mit Fraktionschefin Maike Schaefer – die selbst gerne Spitzenkandidatin geworden wäre – und Sozialsenatorin Anja Stahmann ein Team bilden.

Linnert hält sich weiter für gut geeignet, ließ sie am Montag verlautbaren: „Der Vorschlag, mit einer von drei kompetenten, engagierten Frauen angeführten Liste in den Bürgerschaftswahlkampf zu ziehen, passt aus meiner Sicht gut zu den Grünen“, sagte sie. „Es ist ein Signal: Wir haben starke Frauen, die für zentrale grüne Politikfelder stehen und diese erfolgreich vertreten.“ Ähnliches kam vom Vorstand: „Die drei Frauen stehen für alles, was die Partei ausmacht“, sagte Landessprecherin Alexandra Werwath.

Das sehen nicht alle in der Partei so. [2][Der frühere Fraktionschef Matthias Güldner] nannte die Entscheidung der Parteispitze einen „Irrsinn“. Mit Linnert sei „die falsche Spitzenkandidatin“ ausgewählt worden, schrieb er in einem offenen Brief. Er will sich vorerst weder am Wahlprogramm noch am Wahlkampf beteiligen.

[3][Auf deutliche Kritik stößt, dass der Parteivorstand de facto bereits Senatorinnenposten verteilt und Schaefer zur Spitzenkandidatin für 2023 ausgerufen hat] – vorher soll sie Umweltsenator Joachim Lohse beerben, der nicht wieder antritt, während Linnert und Stahmann ihre Ämter behalten sollen.

Offiziell soll über die ersten drei Listenplätze die Parteibasis im Dezember entscheiden, weswegen Landessprecher Ralph Saxe – formal korrekt – nur von einem „Vorschlag“ spricht. In acht Monaten habe sich „das Stück von der Alternativlosigkeit“ eingespielt, kritisiert indes [4][der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Carsten Werner]. Der einzige Inhalt des Vorschlages heiße „weiter so, weil wir haben das verdient“, schreibt Werner.

Der Vorschlag zeige keine Entwicklung, wenig Bandbreite, kaum Vielfalt und gutes Teambuilding-Konzept. „Ihm liegt kein politischer Entwurf zugrunde, sondern eine vermeintlich vorläufig befriedete interne Konkurrenz.“ Werner kritisiert eine „grandios verunglückte Inszenierung“ und sieht in dem Votum des siebenköpfigen Landesvorstandes „ein Rollback auf 2007“.

Werwath indes ist „von diesem Team vollumfänglich überzeugt“. Und Saxe will dafür werben, „dass eingesehen wird, warum dieser Vorschlag der Beste ist“. Nicht nur Güldner bezweifelt, dass die Basis im Dezember noch eine echte Wahl hat, will sie ihre Partei nicht nachhaltig beschädigen. Einige an der Basis setzen sich deshalb dafür ein, dass noch vor der Sommerpause ein Parteitag einberufen wird. Nötig wäre das entsprechende Votum zweier Kreisverbände.

Linnert, 59, will die nächste Legislaturperiode übrigens nutzen, „um den Generationenwechsel vorzubereiten“. Wer sie habe, „braucht keinen Landesvorstand“, sagt Carsten Werner dazu – „welchen auch immer“.

24 Apr 2018

LINKS

[1] /Archiv-Suche/!5496068&s=&SuchRahmen=Print/
[2] https://www.matthiasgueldner.de/tor-der-woche/items/offener-brief-an-den-gruenen-landesvorstand-bremen.html
[3] /Archiv-Suche/!5496063&s=&SuchRahmen=Print/
[4] https://gruene-bremen.de/partei/die-meinung-am-freitag/volltext-fuer-meinung/article/die_meinung_am_freitag_20042018_von_carsten_werner/

AUTOREN

Jan Zier

TAGS

Grüne Bremen
Grüne Bremen
Grüne Bremen
Grüne Bremen
Grüne Bremen
Grüne Bremen
Kai Wargalla
Bremer Bürgerschaft
Grüne Bremen
Grüne Bremen

ARTIKEL ZUM THEMA

Bremer wählen ihre Spitzenkandidatin: Grüne vor dem Urknall

Noch bis Sonntagnacht dauert die Urwahl der Bremer Grünen. Dann entscheidet sich, ob Karoline Linnert oder Maike Schaefer sie in die Bürgerschaftswahl 2019 führt.

Bremer Grüne vor der Urwahl: Lieber voten als streiten

Bremens Grüne wählen ihre Spitzenkandidatin per Urwahl: Damit holen sie ihre verschleppte inhaltliche Festlegung nach und halten Konflikte klein.

Interview Landessprecherin der Grünen: „Verkauf städtischer Flächen stoppen“

Was kommt in Bremen nach Rot-Grün? Alexandra Werwath, Sprecherin des Grünen-Landesvorstands, über neue Gesichter und grüne Alleinstellungsmerkmale.

Interview Grüne in Bremen: „Erneuerung ist kein Selbstzweck“

Der Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hält es für ein gutes Signal, mit drei Spitzenfrauen in die Landtagswahl zu ziehen.

Anja Stahmann über ihre Aufgaben: „Man muss viel sitzen“

Zum Zukunftstag haben zwei NachwuchsjournalistInnen für die taz die Sozial- und Jugendsenatorin Anja Stahmann (Grüne) nach ihren Aufgaben und Ideen gefragt.

Jugend enttäuscht die Alten: Grüne Zukunft schon wieder vorbei

Nach nur zwei Jahren als Chefin der Bremer Grünen tritt Kai Wargalla nicht zur Wiederwahl an. Auch um an der Trennung von Amt und Mandat festzuhalten.

Bremer Haushaltsberatungen: Die letzten Sparjahre

In den Beratungen zum Doppelhaushalt rechnen die Bürgerschaftsfraktionen mit dem Konsolidisierungskurs ab

Halbzeitbilanz in Bremen: Zehn Jahre Münzen zählen

Für die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert ist die „Halbzeitbilanz“ des Senats eine Zehn-Jahres-Bilanz: 2007 übernahm sie 14 Milliarden Euro Schulden

Bremer Mehrheit für Rot-Grün schrumpft: Die Opposition wird größer

Susanne Wendland ist aus den Grünen und der Fraktion ausgetreten. Nun hat die Regierung in der Bürgerschaft nur noch einen Sitz Mehrheit.