taz.de -- Kolumne Psycho: Wer Hilfe braucht, ist die CSU

Das neue Psychiatriegesetz in Bayern, das psychisch Kranke wie Straftäter behandeln soll, basiert auf Angst. Dagegen kann man etwas tun.
Bild: Wege aus der Angst – mit dem „CSU-Hilfe-Gesetz“

Einen sperrigeren Namen hätte sich die CSU kaum ausdenken können: „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“. Vielleicht hatte sie gehofft, dass so niemand mitbekommt, welche Pläne da unter der Übergangsjacke der „Hilfe“ geschmiedet werden – nämlich, [1][dass psychisch Kranke in Bayern künftig wie Straftäter behandelt werden sollen].

Nur vier Artikel des Gesetzentwurfs befassen sich mit der Stärkung der psychiatrischen Versorgung, unter anderem durch die flächendeckende Einführung von Krisendiensten. In den anderen 37 Artikeln wird die „öffentlich-rechtliche Unterbringung“ geregelt, die von ExpertInnen mit dem Maßregelvollzug in Haftanstalten verglichen wird.

Die CSU hat offenbar so große Angst vor „Gefährdern“, dass sie am liebsten vorsorglich alle Menschen wegsperren würde. Weil das nicht geht, fängt sie bei denen an, die eh schon stigmatisiert werden und in den allermeisten Fällen höchstens eine Gefahr für sich selbst sind.

Das geplante Gesetz soll Sicherheit vermitteln, schürt aber wiederum Angst – nicht nur bei Menschen wie mir, die eh schon eine Angsterkrankung haben, sondern auch bei Depressiven, Schizophrenen, Trauma-Opfern und allen anderen, die wissen, wie sich eine Krise anfühlt. Und die bisher froh waren, dass sie im Zweifel Hilfe in Anspruch nehmen können, ohne eine Durchsuchung ihrer Körperöffnungen und eine Erfassung ihrer Daten durch die Polizei befürchten zu müssen.

Es ist natürlich keine Lösung, die Politiker selbst für „irre“ zu erklären und vorzuschlagen, stattdessen doch lieber sie wegzusperren, wie es viele, nur halb im Spaß, jetzt machen. Aber von den Bewältigungsstrategien, die Menschen mit Angststörungen anwenden, können auch andere noch was lernen. Deshalb hier ein erster Entwurf zum „CSU-Hilfe-Gesetz“.

Art. 1: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. Was Sie in der Zukunft fürchten, passiert nur in Ihrem Kopf.

Art. 2: Angst ist zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. Gefährlich kann nur Ihr Verhalten in der Angst werden. Zum Beispiel, wenn Sie diskriminierende Gesetze entwerfen.

Art. 3: Sie haben das Gefühl, Sie schaffen das nicht alleine? Suchen Sie sich professionelle Unterstützung. Aber vor allem: Nehmen Sie sie auch an. Zum Beispiel, wenn ExpertInnen Ihren Gesetzentwurf kritisieren.

Art. 4: Verlassen Sie Ihre Komfortzone. Wer sich im Zimmer einigelt und nicht mehr vor die Tür geht, hat es zwar schön kuschelig, wird aber niemals über sich hinauswachsen und Erfolgserlebnisse haben. Gleiches gilt, wenn man es sich in seinem (Bundes-)Land gemütlich macht und alle, die stören könnten, aus- oder wegsperrt.

Art. 5: Verzichten Sie darauf, Ihre Angst zu rationalisieren. Einige psychisch Kranke mögen eine Gefahr darstellen, aber es ist auch gefährlich, zu fliegen, da man immer abstürzen kann. Flugzeuge zu verschrotten ist nicht die Lösung.

Art. 6: Machen Sie sich bewusst, dass es keine maximale Sicherheit gibt. Akzeptieren Sie dieses Restrisiko.

19 Apr 2018

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AUTOREN

Franziska Seyboldt

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