taz.de -- Britische Labour-Partei diskutiert: „Null Toleranz für Antisemitismus“
Unter Applaus geißeln britische Labour-Abgeordnete im Parlament Judenhass bei den Linken. Parteichef Jeremy Corbyn hört zu – und schweigt.
London taz | Der Streit über [1][Antisemitismus in der britischen Labour-Partei] hat das Parlament erreicht. Im Rahmen einer dreistündigen Unterhausdebatte am Dienstagabend schilderten zahlreiche jüdische Labour-Abgeordnete, wie sie zu Hassobjekten innerhalb ihrer eigenen Partei geworden sind. Parteichef Jeremy Corbyn war für den Großteil der Debatte anwesend, sprach jedoch nicht.
In 50 Jahren Labour-Mitgliedschaft habe sie sich noch nie so nervös und ängstlich gefühlt wie heute, gab Labour-Veteranin Margaret Hodge, geborene Oppenheimer, an. „Es scheint mir, als habe meine Partei die Erlaubnis dafür erteilt, dass man für Antisemitismus nicht zur Rechenschaft gezogen wird“, sagte die 73-Jährige, die 1944 in Kairo als Tochter aus Deutschland geflohener Juden zur Welt kam.
Die 36-jährige Luciana Berger verwies auf Hassattacken, seitdem sie im März bei einer Kundgebung gegen Antisemitismus bei Labour vor dem Parlament das Wort ergriffen hatte. Sie erwarte von Labour einen höheren Standard, sagte sie, weil Antirassismus ein zentraler Wert der Partei sei. „Mir fehlen die Worte für diejenigen, die mich wegen meiner Bemerkungen beim Protest gegen Antisemitismus angegriffen haben“, sagte sie. „Sie fordern, dass ich ausgeschlossen werden soll, und haben all das als Schmiere bezeichnet.“ Berger forderte stattdessen den Parteiausschluss des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone, der behauptet hatte, dass Zionisten und Nazis gemeinsame Sache machten. Seine Labour-Mitgliedschaft ruht seit zwei Jahren.
Die 38-jährige Ruth Smeeth schloss sich der Forderung an. Sie sei, anders als böse Zungen bei Labour behauptet hätten, „weder eine Agentin Mossads noch Vertreterin Tel Avivs, sondern eine stolze Gewerkschafterin, Antirassistin, Labour-Mitglied und [2][britische Jüdin]“.
Die Lüge von der Unmöglichkeit, Israel zu kritisieren
Alle drei erhielten Applaus, teilweise stehend, von allen Seiten für ihre Ansprachen. John Mann, der sich bei Labour für Maßnahmen gegen den Antisemitismus eingesetzt hat und nicht jüdisch ist, berichtete von Angriffen auf seine Familie und Schutzmaßnahmen, die er deswegen zu treffen habe. Auch konservative Abgeordnete berichteten von antisemitischen Vorfällen. Dass die Beschuldigung des Antisemitismus nur eine Ausrede sei, um Kritik an Israel unmöglich zu machen, nannte Labours Joan Ryan eine „schändliche Lüge“.
Für die Labour-Führung ergriff schließlich Schattenminister Andrew Gwynne das Wort. Es sei eine Pflicht für alle Politiker, Antisemitismus auszumerzen, sagte er. Die letzten Vorkommnisse hätten gezeigt, dass Labour besser aufpassen müsse. Es sei Labours Verantwortung, null Toleranz für Antisemitismus zu beweisen – in der Partei, in der linken Politik, in der britischen Gesellschaft. „Jegliche Person, die behauptet, es gäbe unter Linken keinen Antisemitismus, spricht nicht mit Labours Segen oder dem des Parteichefs“, sagte er.
Ob dies die Verstimmung zwischen Labour-Chef Corbyn und den jüdischen Verbänden Großbritanniens ausräumen kann? „Wir werden uns nicht beteiligen, da die Gespräche keine weiteren Vorschläge für Maßnahmen angeben, wie Labour mit der Antisemitismuskrise umgehen will“, so hatte die abweisende Antwort der jüdischen Dachorganisation Board of Deputies (Bod) und des Rates jüdischer Gemeinschaftsführer auf Corbyns Einladung zu einem runden Tisch gelautet. Dennoch werden sie ihn am 24. April zu direkten Gesprächen treffen.
19 Apr 2018
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