taz.de -- Nachruf auf Michael Rutschky: Ein Kulturoptimist ist gestorben

Der Berliner Publizist und Autor Michael Rutschky ist tot. Auch mit der taz war der „Kulturoptimist“ eng verbunden.
Bild: Schriftsteller Michael Rutschky in seiner Wohnung im Berliner Bezirk Kreuzberg (Archiv, 1997)

Michael Rutschky ist tot. Bis vor wenigen Wochen konnte man ihn noch auf seinen Spaziergängen mit dem Hund im Berliner Gleisdreieckpark treffen. Nun ist der Publizist und Autor vieler essayistischer Bücher nach längerer Krankheit in einem Berliner Krankenhaus gestorben.

Michael Rutschky wurde am 25. Mai 1943 im hessischen Spangenberg geboren. Er studierte bei Theodor W. Adorno in Frankfurt, in der Phase, in der sich die Kritische Theorie sehr für eine Verbindung von Karl Marx und Sigmund Freud interessierte. Eine Fotografie von Freuds Patientencouch hing in seinem Wohnzimmer.

Bekannt wurde der leidenschaftliche Berliner durch seine Essays, die in der Monatszeitschrift Merkur, deren Redakteur er in den späten Siebzigern war, veröffentlichte. Das waren gedankenschnelle Stücke, in denen sich eine Aufmerksamkeit für die Gegenwart mit einer immensen Belesenheit verband. Er interessierte sich für alles, die Mitbürger seines Kreuzberger „Soziotops“ (eine Rutschky-Wortschöpfung), Kleidungsstile, die Art, wie Meinungen produziert werden, Speisekarten und natürlich Kinofilme.

Zu seinen einflussreichsten Büchern zählen die Studien „Erfahrungshunger“ und „Lebensromane“. Zuletzt haben seine unsentimentalen, beobachtungsgenauen Tagebuchbände „Mitgeschrieben“ und „In die neue Zeit“ noch einmal für Aufsehen gesorgt. Auch als Fotograf machte er sich einen Namen.

Bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 war Michael Rutschky mit der Publizistin Katharina Rutschky verheiratet. Beide waren sie atypische 68er; Untergangsszenarien lagen ihnen nicht, stets glaubten sie an mögliche gesellschaftliche Fortschritte. Programmatisch hat sich Michael Rutschky einmal als „Kulturoptimist“ bezeichnet. Der taz war Michael Rutschky eng verbunden, als Autor, Kolumnist sowie als genauer Leser und Stichwortgeber.

18 Mar 2018

AUTOREN

Dirk Knipphals

TAGS

Michael Rutschky
Kreuzberg
Schriftsteller
Emanzipation
Essay
Michael Rutschky
Michael Rutschky
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Michael Rutschky

ARTIKEL ZUM THEMA

Autofahren als Freiheitsversprechen: Stets auf Achse

Die Mutter unseres Autors war immerzu Automobilistin. Sie lebt nun im Heim und ihr Sohn reist am Steuer ihres letzten Wagens zurück in die Vergangenheit.

Essay zu Schriftsteller Michael Rutschky: Mit Madonna auf der Autobahn

Der Autor Marc Degens führt mit einem Essay über Schriftsteller Michael Rutschky vor, wie autofiktionales Schreiben sein kann: „Selfie ohne Selbst“.

In Erinnerung an Michael Rutschky: Hilfe gegen die Irren

Nachruf auf einen Freund und anregenden Autor, Kritiker der Kritiker, der die Wirklichkeit mit Wohlgefallen betrachtete.

Tagebücher von Michael Rutschky: Alles erscheint so fern

Eine weitere Folge von Michael Rutschkys Tagebuchaufzeichnungen: Der Band „In die neue Zeit“ handelt von der Zeit um die Wende.

Vier Fragen an Michael Rutschky: „Merkel ist erstaunlich“

Schriftsteller Michael Rutschky im Kurzinterview: Was ist wirklich Phase bei der Wahl? Wie geht es danach weiter? Und wie ist das mit der FDP?

Tagebücher eines Publizisten: „Ich nehme den Wildtopf Diana“

Die Tagebücher des Essayisten Michael Rutschky bieten ein großartiges Sittenbild der westdeutschen Intelligenz in den frühen achtziger Jahren.