taz.de -- Kostenfreie Bildung: Den Hort gibt’s jetzt geschenkt

Das Parlament beschließt heute den schrittweisen Wegfall der Hortgebühren – zunächst für die Klassen 1 und 2. Berlin kann sich das leisten.
Bild: Gut betreut? SchülerInnen im Hort

Man kann das sehr wohl für schönsten sozialdemokratischen Populismus halten: Die Kita-Gebühren sind bereits abgeschafft in Berlin, nun folgen die Gebühren für den nachmittäglichen Schulhort – ab August 2019 müssen Eltern von Erst- und ZweitklässlerInnen keine Beiträge mehr zahlen. So will es das Abgeordnetenhaus heute beschließen. De facto ist damit in Berlin ab dem kommenden Jahr die Kinderbetreuung von der Krippe bis zur dritten Klasse kostenlos.

Das kann man, wie gesagt, als Populismus kritisieren. Man kann es aber auch für die richtige Idee halten, zumal Berlin – der Haushaltsüberschuss war zuletzt auf einem Rekordhoch – sich Visionen von mehr sozialer Gerechtigkeit gerade locker leisten kann.

Auch deshalb, weil die Entscheidung für eine Abschaffung der Elternbeiträge nicht länger eine Entscheidung gegen mehr Betreuungsqualität ist und das Land zum Beispiel lieber in mehr ErzieherInnen investieren sollte. Das tut es zum einen ohnehin: Die Ausbildungsplatzkapazitäten an den Fachschulen für die Erzieherausbildung wurden in den letzten Jahren verdoppelt, der Quereinstieg in den ErzieherInnenberuf wird massiv gefördert.

Zum anderen ist das Qualitätsproblem nicht mehr eine Frage des Geldes. Denn selbst wenn man wollte, dass sich künftig eine ErzieherIn nicht mehr um 22, sondern nur noch um 15 Grundschulkinder kümmern muss, wie es das Bündnis „Qualität im Ganztag“ fordert – der Fachkräftemarkt ist quasi leergefegt. Die populär daherkommende Beitragsfreiheit ist das einfachere Geschenk – beziehungsweise die sinnvollere Investition.

Nicht ohne Grund wurde daher die Beitragsfreiheit für den Hort im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün angekündigt und nun auch in einem ersten Schritt umgesetzt – nicht aber eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels.

Auch die Bedarfsprüfung fällt weg

10 Millionen Euro finden sich nun für den Hort im Haushalt für 2019. Damit finanziert Rot-Rot-Grün den Wegfall der Elterngebühren – und die zusätzlichen Plätze für SchülerInnen, die kommen könnten. Denn parallel zu den Gebühren fällt auch die sogenannte Bedarfsprüfung für den Schulhort in Klasse 1 und 2 weg. Zum Verständnis: Derzeit muss man einen Betreuungsbedarf – sprich: für gewöhnlich einen Job – nachweisen, sonst gestaltet sich der Hortantrag als äußerst bürokratische Misere.

Wie viele Kinder zusätzlich kommen könnten, ist indes völlig unklar. „Die Einschätzungen reichten da von 5.000 bis 20.000“, sagt Grünen-Haushaltspolitikerin Stefanie Remlinger, die den Punkt im Haushalt mit verhandelt hat. Derzeit gehen rund 137.000 Kinder in den offenen Nachmittagshort (siehe Kasten). Das Ganztagsbündnis prognostiziert ein Plus zwischen 5 und 10 Prozent mehr Kinder.

Und da liegt der Knackpunkt: Soll man die Horte weiter öffnen, wenn noch nicht einmal die jetzige Situation zufriedenstellend ist? Immerhin ist die größere Idee hinter dem Nachmittagshort ja das Prinzip der Ganztagsschule: Was da nachmittags auf dem Schulhof stattfindet, soll mehr sein als Kinderbeaufsichtigung. Nur dann ist der Ganztag keine schön klingende Mogelpackung. Nur dann käme er auch den Kindern aus nicht so bildungsaffinen Familien zugute, die von der Öffnung der Horte profitieren sollen (der Zusammenhang zwischen sozialem Status der Eltern und Bildungserfolg der Kinder ist leider noch längst kein Klischee).

„Woher die Erzieher kommen sollen, das frage ich mich, ehrlich gesagt, auch“, sagt die SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasić. Deshalb mache man zunächst nur die Klassen 1 und 2 beitragsfrei: Mal gucken, was da kommt, mal gucken, wie das läuft.

Harter Kampf um Fachkräfte

Rund 2.500 AbsolventInnen hatten die staatlichen und privaten Fachschulen für die Erzieherausbildung im vergangenen Jahr. Der Kampf um diese Fachkräfte ist hart, denn auch für den dringend nötigen Kitaplatzausbau braucht man sie: 25.000 Plätze muss das Land bis 2021 schaffen. Schon jetzt können Tausende Kitaplätze auch wegen Personalmangels nicht angeboten werden. Der Stadtrat Gernot Klemm (Linke) aus Treptow-Köpenick schlug unlängst vor, die Kita-Gruppen doch einfach wieder zu vergrößern (nachdem man 2016 gerade beschlossen hatte, den Betreuungsschlüssel zu verbessern), um die Not der verzweifelt nach einem Kitaplatz fahndenden Eltern zu lindern.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), vor einigen Tagen war sie noch Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, hat am Mittwoch angekündigt, über Ausbildungsvergütungen für ErzieherInnen und höhere Gehälter sprechen zu wollen. Eine gute Idee: Im letzten Jahr klagten einige Fachschulen, sie hätten Mühe, ihre Ausbildungsplätze zu füllen.

Und in der Zwischenzeit stößt man die Tür zu den Horten selbstverständlich weiter auf, sagt SPD-Politikerin Lasić: „Es muss doch unser Ziel sein, die Bedingungen an unsere Vorstellungen anzupassen. Nicht umgekehrt.“

22 Mar 2018

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Anna Klöpper

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