taz.de -- Sexistische Werbung in Hannover: Busenschnecke ohne Herz für #MeToo

Das Logo eines hannoverschen Unternehmens zeigt eine Schnecke mit Brüsten. Sexistisch findet der Erfinder das nicht, sondern #MeToo paranoid.
Bild: Fuhr in Hannover auf Bussen durch die Stadt: die Busenschnecke

Hannover taz | Dori hat keine Gesichtszüge, keine Augen, nur eine dicke Knollennase – und dicke Brüste. Eine Schnecke soll sie sein und bleibt in der Form doch so vage wie irgend möglich. Explizit ist an Dori nur ihr praller Busen, samt Warzenvorhöfen und Nippeln. Man könnte das als ekligen Alteweißemännerhumor abtun, wäre Dori, „die Busenschnecke“, nicht das Firmenmaskottchen des Wohnungsunternehmens Gartenheim in Hannover. Während Busenschneckenerfinder Günter Haese sein Produkt für den ganz großen Marketingwurf hält, kritisiert Regionspräsident Hauke Jagau (SPD) die Busenschnecke als sexistische Werbung.

„Für mich ist die Ausformung der Brustwarzen ein absolutes No-go“, sagt er. Werbung sei dann sexistisch, wenn es keine inhaltliche Verbindung zwischen dem Produkt und nackten Körpern gebe. Wenn ein Unterwäschehersteller mit Körperlichkeit werbe, sei das in Ordnung. Wenn ein Wohnungsunternehmen Frauen auf ihre Geschlechtsorgane reduziere und diese einem Tier anhänge, nicht, sagt Jagau. Er schrieb diese Einschätzung auch in einer Mail direkt an das Unternehmen – [1][und bekam prompt eine uneinsichtige Antwort von Haese aus dem Gartenheim-Vorstand.]

Dori sei ein Tier mit ausgeprägten Formen. Seine Frau habe ihn dazu inspiriert, schreibt Haese. „Ich kenne kein Kind, welches beim Anblick der Busenschnecke nicht spontan lacht und sich nicht hingezogen fühlt.“ In der #MeToo-Debatte lasse sich eine „fast schon paranoide Überschwingung beobachten“, so Haese, der die Debatte auch mit einem „Gehirnwäsche-Zustand“ vergleicht, „der mit einem gesunden Mann-Frau-Verhältnis nichts mehr zu tun hat“.

Seine Busenschnecke, die von 2013 bis Anfang März auch an vielen Bussen und auf Stadtbahnen in Hannover prangte, sei nicht sexistisch, weil sie „einen der größten Werbemittelpreise Europas, nämlich den Promotional Gift Award“ gewonnen habe. Haese sieht in der Schnecke „ein beliebtes Symbol für Heiterkeit“. Er bekomme dafür Danksagungen aus der ganzen Welt. Doch: „Humor ist in erster Linie auch Freiheit und genau die scheint Ihnen nicht ins Konzept zu passen“, schreibt Haese an Jagau.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Region, Petra Mundt, regt diese Argumentation richtig auf. „Diese Ignoranz und chauvinistische Reaktion ärgert mich“, sagt sie. Die Werbung sei stark sexualisiert und herabwürdigend. Darüber müsse man reden, denn Gartenheim sei nur die Spitze des Eisbergs. Bei kleineren und mittleren Betrieben gebe es solche Fehlgriffe immer wieder, sagt Mundt. „Wir brauchen deshalb ein Bündnis gegen sexistische Werbung in der Region.“

15 Mar 2018

LINKS

[1] http://www.gartenheim.de/der-kleine-philosoph/die-busenschnecke-und-der-regionspraesident-2018.html

AUTOREN

Andrea Scharpen

TAGS

Sexismus
Werbung
Brüste
Hannover
Sozialwohnungen
Sexismus
FC St. Pauli
Sexismus
Werbung
Werbung

ARTIKEL ZUM THEMA

Genossenschaft klagt gegen Bindung: Sozialmiete in Ewigkeit

Bundesgerichtshof verhandelt, ob sich eine Wohnungsgenosenschaft in Langenhagen an Absprachen zur Mietpreisbindung halten muss.

Sexistisches Ski-Werbeplakat: Schnell und mutig? Nee, lieber nackt

Der Österreichische Skiverband bewirbt den Damen-Ski-Weltcup mit einer nackten Frau. Die sexualisierte Darstellung wird kritisiert.

FC St. Pauli gegen sexistische Werbung: Susi lässt die Puppen weiter tanzen

Der FC St. Pauli verbietet sexistische Werbung, hält aber an Tänzerinnen fest. Die Brauerei Astra will sich an die neuen Regeln im Stadion halten, aber ihre Kampagnen fortführen

Politologin über Sexismus in der Werbung: „Sie werden Frischfleisch genannt“

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt einen Leitfaden gegen sexistische Werbung heraus. Petra Koch-Knöbel über Witze, Prostitution und Sexobjekte.

Bremen regelt Werbung: Mit Donald Trump gegen Sexismus

Als erstes Bundesland will Bremen sexistische Werbung aus dem öffentlichen Raum verdrängen. Ein Mittel: eine Plakatkampagne mit Sexist-in-chief Donald Trump.

Sexistische Werbung in Berlin: Schön nervtötend

In Berliner U-Bahnhöfen wirbt Decathlon mit einem sexistischen Spruch über Frauen. Solche Werbung soll in der Stadt bald verboten weden.