taz.de -- Bundesliga-Abstiegskampf in Hamburg: Kein Tor, kein Trainer mehr

Der HSV trennt sich von Trainer Markus Gisdol. Sein Nachfolger wird Bernd Hollerbach, der seine letzten Erfolge mit den Würzburger Kicker feierte.
Bild: Mein Feind, der Ball: Hamburgs André Hahn und Kölns Jorge Mere (r.) im Zweikampf

Jann-Fiete hat Grippe. Warum das eine Nachricht ist? Der 18-jährige Fußballer Jann-Fiete Arp ist durch seine ersten beiden Bundesligatore zum Hoffnungsträger des Hamburger Sportvereins geworden. Das sagt schon viel über die Zustände beim Bundesligisten. Am Samstag musste er das Bett hüten, während die Kollegen zum viel beschworenen „Endspiel“ gegen den Letzten 1. FC Köln antraten. Und beim HSV hat niemand Tore geschossen. Wieder mal. Kann sein, dass die Grippe von Jann-Fiete HSV-Trainer Markus Gisdol den Job gekostet hat.

Der Schwabe muss nach dem 0:2 gegen den 1. FC Köln seinen Hut nehmen. Noch am Samstagabend hatten sich Sportdirektor Jens Todt und der Vorstandschef der HSV AG Heribert Bruchhagen zu einer Krisensitzung getroffen. Am Morgen verkündete Todt dann Gisdols Rauswurf.

Nun soll Bernd Hollerbach das Traineramt übernehmen. Der ist zwischen 1996 und 2004 für den HSV als Spieler die Linie rauf-, runter- und vor allem Gegenspielern hinterhergelaufen. Als Trainer hat er die Würzburger Kickers vor anderthalb Jahren in die zweite Liga geführt. Nach dem direkten Wiederabstieg des Klubs ist er zurückgetreten. Von einer großen Trainerkarriere kann also nicht unbedingt die Rede sein. Jetzt wird der einstige Fanliebling Gisdols Nachfolger.

Gisdols Abgang ist für HSV-Verhältnisse so etwas wie das Ende einer Ära. In den vergangenen zehn Jahren waren nur zwei der acht Cheftrainer länger im Amt als Gisdols sechzehn Monate. Die Hamburger hatten ihn als Fußballstrategen geholt, der etwas aufbauen sollte, das Team entwickeln. Tatsächlich wurde das Spiel des HSV zunächst besser. Die Mannschaft stand defensiv meist stabil und schaffte es zumindest gelegentlich, Druck nach vorn zu entwickeln. Und Gisdol ist es gelungen, Talente in den Profikader zu ziehen.

In den letzten Wochen wurde es aber schwieriger, eine Spielidee zu entdecken. Und im Angriff mangelt es dem HSV chronisch an Durchschlagskraft. So klang es schon ziemlich hilflos, als Gisdol nach dem Spiel gegen Köln klagte, „einsatzmäßig“ sei in Ordnung gewesen, was seine Mannschaft gezeigt habe, „aber wir bringen den Ball nicht über die Linie“. Dabei sei es „oft so, dass nicht viel fehlt“.

Stürmer, die nicht treffen

Dem HSV fehlt, neben vielem anderen, ein Vollstrecker. Der etatmäßige Mittelstürmer Bobby Wood hatte im Hinspiel in Köln sein bislang einziges Saisontor erzielt. Der US-Nationalspieler hat sich unter Gisdol kontinuierlich rückwärts entwickelt und saß gegen Köln folgerichtig zunächst nur auf der Bank. Im Sturmzentrum musste sich stattdessen André Hahn abrackern. Der gelernte Außenstürmer, zu Saisonbeginn auf Gisdols Wunsch für fantastische sieben Millionen Euro aus Mönchengladbach geholt, hat seither zweimal getroffen. Genau wie Linksaußen Filip Kostić, der gegen Köln zumindest Großchancen versiebte.

Dass das Toreschießen im Fußball besonders wichtig ist, scheint beim HSV noch nicht richtig angekommen zu sein. Dass die Hamburger in der Winterpause bislang nicht gehandelt haben, könnte sich rächen. Und das wird am Ende nicht Gisdols Schuld allein sein. Sportchef Todt muss sich fragen, ob er den Stürmermarkt genügend sondiert hat.

Es ist ja ein geflügeltes Wort, dass es schwer sei, im Winter einen Stürmer zu verpflichten, der sofort helfen kann. Dumm nur, dass ausgerechnet der Gast aus Köln genau das vorgemacht hat. Simon Terodde, zum Jahresanfang für bescheidene zwei Millionen Euro aus Stuttgart schon mit Blick auf den wahrscheinlichen Abstieg nach Köln zurückgeholt, erzielte im zweiten Spiel für seinen neuen, alten Arbeitgeber in Hamburg seine Treffer zwei und drei. Er hat damit also nach zwei Einsätzen mehr Tore auf dem Konto als jeder HSV-Stürmer in der bisherigen Saison.

Gefühlter Tabellenletzter

Der HSV liegt zwar noch drei Punkte vor den Kölnern, ist aber schlechter als der bislang abgeschlagen erschienene Tabellenletzte – nicht nur an diesem Samstagabend, sondern auch über die vergangenen vier Spiele: Köln gewann drei, der HSV keines. Der HSV ist gefühlt das Hinterletzte.

Vielleicht auch deswegen sagte Kölns neuer Trainer Stefan Ruthenbeck bescheiden: „Wir haben noch gar nichts erreicht.“ Er räumte ein, dass seine Mannschaft auch Glück gehabt habe. Es gelte jetzt, die weiteren Endspiele anzunehmen.

Beim HSV muss das nun jemand anderes tun als Markus Gisdol.

21 Jan 2018

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Jan Kahlcke

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