taz.de -- Kolumne Pressschlag: Kuschen vor Pechi

Eisläuferin Claudia Pechstein als Fahnenträgerin bei Olympia in Südkorea? Es gibt Unbehagen, doch niemand wagt zu widersprechen.
Bild: Hat sich als Fahnenträgerin selbst ins Gespräch gebracht: Claudia Pechstein

Ich trage eine Fahne, und diese Fahne ist rot.“ Claudia Pechstein kennt das Lied aus Schülertagen. Es wurde in der DDR oft gesungen. Manche Passagen passen in ihrem schwülstigen Pathos ganz gut zum bewegten Leben der Schlittschuhläuferin aus Berlin: Die Fahne ist niemals gefallen, sooft auch ihr Träger fiel, sie weht heute über uns allen und sieht schon der Sehnsucht Ziel. Claudia Pechsteins Sehnsuchtsziel ist es, eine Medaille bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang zu gewinnen. Außerdem möchte die nun schon mit 45 Jahren leicht angetagte Athletin die deutsche Flagge bei der Eröffnungsfeier tragen. Das hätte Symbolwert. Vor allem für Claudia Pechstein.

Sie hat sich selbst als Fahnenträgerin ins Gespräch gebracht. Aber auch andere wie der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds finden diese Idee gut. Sie scheint sich in der deutschen Leistungssportszene durchzusetzen, jedenfalls gibt es niemanden, der sich offen gegen Pechstein ausspricht. Es gibt freilich ein Unbehagen, das unter den Wintersportlern aber nur ein paar informelle Extrarunden dreht. Das liegt keineswegs nur an Pechsteins Dopingvergangenheit, die nach Darstellung der Olympionikin keine Dopingvergangenheit ist, sondern an ihrer Art.

Es gibt einige, die regelrecht Schiss vor ihr und vor allem vor ihrem Lebensgefährten Matthias Große haben, der in Personalunion ihr „Betreuer und Mentalcoach“ (DOSB) sowie ihr „Beschützer“ (Pechstein) ist. Beide gehen faszinierend aggressiv vor, wenn es gilt, die eigene Agenda durchzusetzen. Sie drängen Konkurrentinnen ins Abseits, schüchtern Journalisten und sogar Politiker ein – und kommen damit durch in der Welt des Sportbunds, weswegen Große, ein Typ mit dem Gehabe eines Türstehers, auch mit DOSB-Akkreditierung nach Südkorea reisen darf. Wenn sich jemand derart aufmandelt, dann kuscht der deutsche Biedermann.

Fahnenträger müssen keine Helden, sie dürfen Mensch sein. Aber muss es ausgerechnet eine Sportlerin sein, die sich seit vier Jahrzehnten stupide im Kreis und vor allem um sich selbst dreht? Die den Charme einer beleidigten Pubertistin verströmt? Jede Sportnation hat die Fahnenträgerin, die sie verdient. In Deutschland ist das unsere Pechi.

21 Jan 2018

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Markus Völker

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