taz.de -- Nichtspender über Organspenden: „Das sind immer noch meine Organe“

In Deutschland werden immer weniger Organe gespendet. Warum ist das so? Ein Nichtspender schildert seine Bedenken.
Bild: Ist ein Angehöriger schwer erkrankt, muss seine Familie sich plötzlich mit dem Sterben beschäftigen

taz: Herr Barthel, vor sechs Monaten haben Sie eine Patientenverfügung ausgestellt, in der Sie explizit angeben, Ihre Organe nicht spenden zu wollen. Warum?

Sven Barthel: Vor einem Jahr ist mein Geschäftspartner schwer erkrankt. Ich musste mich ad hoc mit den Themen Krankheit und Tod beschäftigen und habe gesehen, wie sehr das eine Familie in Schwierigkeiten bringen kann. Als Selbständiger bin ich es gewohnt, Dinge in die Hand zu nehmen und vorauszuplanen. Ich will, dass meine Angehörigen wissen, was mit meinem Körper geschieht. Auch für mich selbst möchte ich sicherstellen, dass mein Körper nach meinem Tod so bleibt, wie er ist.

Warum ist Ihnen das wichtig?

Wenn ich tot bin, bin ich das nicht nur im Kopf, sondern auch mit dem Körper. Auch wenn ich hirntot bin, sind das immer noch meine Organe. Das ist eine sehr persönliche Sache. Auch meine Frau könnte damit nicht umgehen; sie ist sehr emotional. Deswegen möchte ich sie vor einer solchen Entscheidung beschützen. Ich spende aber regelmäßig Blut.

Hatten die Medienberichte über Organskandale in den vergangenen Jahren einen Einfluss auf Ihre Entscheidung?

Nein, das nicht. Aber im Zuge der letzten Migrationsbewegung nach Deutschland habe ich gelesen, dass Geflüchtete ihre Flucht auch mit der Entnahme ihrer gesunden Organen finanzieren. Meiner Meinung nach wirft das ein schlechtes Licht auf die Organtransplantationen. Ich weiß allerdings nicht, in welchem Umfang das sein soll.

Mal angenommen, ein Familienmitglied wäre plötzlich auf eine Organspende angewiesen. Was dann?

Ich würde hoffen, dass dann jemand da ist. Oder mich selber zur Verfügung stellen. Aber meine generelle Entscheidung gegen eine Organspende werde ich wohl nicht ändern.

Was denken Sie, warum mangelt es an Spenderorganen?

Die aktuelle Situation entsteht denke ich auch dadurch, dass der Tod in unserem Alltag kaum thematisiert wird. Wir sind so mit Leben beschäftigt, dass wir uns die Frage nicht stellen, ob wir spenden wollen oder nicht. Für mich habe ich das jetzt geklärt. Und kann damit leben.

16 Jan 2018

AUTOREN

Ebru Tasdemir

TAGS

Organspende
Organspende-Skandal
Medizin
Organspende
Organspende-Skandal
Organspende
Organspende
Organtransplantation
Hamburg
Schwerpunkt Iran

ARTIKEL ZUM THEMA

Widerspruchslösung für Organspende: Der Kampf um Lebenszeit

CDU-Gesundheitsminister Spahn will, dass künftig aktiv widersprechen muss, wer seine Organe nicht spenden will. Dafür gibt es gute Argumente.

Debatte Organspenden in Deutschland: Niere hin, Niere her

Es gibt zu wenig Organspenden in Deutschland. Ein Organtausch sollte gesetzlich ermöglicht werden, um mehr Leben zu retten.

Was tun für mehr Organspenden: Den Körper hingeben

Die Zahl der Organspender sinkt. Die Bereitschaft zur Organspende ist aber bei den Menschen selbst nicht gesunken. Woran liegt es dann?

Filmdrama über Organspende: Nie wieder erwachen

Katell Quillévérés Spielfilm „Die Lebenden reparieren“ führt mit der Thematik Organspende an die Grenze zum Tod – und liebt alles, was lebt.

Zahl der Organspenden: Bremen ist Schlusslicht

Statistisch gesehen gab es 2016 in Bremen bundesweit die wenigsten Organspenden, Hamburg steht an der Spitze. Das liegt auch an der Versorgungslage.

Organspendeskandal in Hamburg: Ein Winterkorn im weißen Kittel

Ein Expertenbericht deckt Ungereimtheiten bei Lungentransplantationen im Hamburger Uniklinikum auf. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Legaler Handel mit Spendernieren im Iran: Die Schulden mit der Niere bezahlt

Im Iran können Spender ihre Nieren legal verkaufen. Das höchst umstrittene System verhindert Wartelisten und schwächt den Schwarzmarkt.