taz.de -- Vorwürfe gegen Berliner Polizeiakademie: „Wir nehmen schon die Besten“
Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin zu den anonymen Vorwürfen gegen Polizei-Azubis mit Migrationshintergrund.
Herr Jendro, anonyme Hinweise aus der Berliner Polizeiakademie sprechen für große Probleme mit Auszubildenden migrantischer Herkunft. Von Hass, Lernunwillen und Gewalt ist die Rede. Ist da etwas dran?
Benjamin Jendro: Das passt in den Kanon, der seit circa einem Jahr aus der Akademie zu uns dringt. Uns ist aber niemand bekannt, der das persönlich erlebt hat. Solange sich die Kollegen nicht direkt an uns wenden, können wir den Wahrheitsgehalt nicht bestätigen.
Was besagt der Kanon?
Es gab eine Schilderung von einer Massenschlägerei in der Kantine der Akademie. Im Nachgang hat sich gezeigt, dass eine Schlägerei in dem beschriebenen Ausmaß nicht stattgefunden hat. Oder die Aussage, Azubis mit Migrationshintergrund weigerten sich, am Schwimmunterricht mit Kolleginnen teilzunehmen. Soweit wir wissen, hat ein Auszubildender gefragt, ob man das separieren könne, weil das seinem Glauben konformer wäre. Es wurde abgelehnt. Das war's.
Die Berliner Polizei sucht händeringend Nachwuchs. Führt das zu einer unkritischen Auswahl der Bewerber?
Heute stellen wir rund 1.200 Leute pro Jahr ein. Vor fünf Jahren waren es noch deutlich weniger. Wenn man nur 100 Leute einstellen muss, hat man natürlich eine ganze andere Auswahl. Die Qualitätsstandards an sich sind aber nicht gesenkt worden. Ausgewählt wird nach der Rangliste. Das heißt, wir nehmen die 600 Besten pro Halbjahr, die wir bekommen.
Seit die Hinweise aus der Polizei-Akademie öffentlich geworden sind, mehren sich die anonymen Vorwürfe. Wie interpretieren Sie das?
Ich hoffe, dass die Welle jetzt nicht für eigene Interessen genutzt wird. Um nicht missverstanden zu werden: Wenn die Vorwürfe zutreffen, dürfen wir das nicht verschweigen, sondern müssen nach Lösungen suchen. Schon vor Monaten haben wir verantwortlichen Politikern an die Hand gegeben, in der Akademie nachzuschauen. Die Dinge, die da kritisiert werden, sind auch Folgen einer Strukturveränderung.
Worauf wollen Sie hinaus?
Die Akademie entwickelt sich mehr und mehr zu einer Berufsschule. Wir nehmen die Auszubildenden nicht mehr an die Hand. Früher gab es Gruppenführer und Zugführer, die die Klassen bei den Kursen stetig begleitet haben. Die jetzige Struktur trägt nicht dazu bei, 16- und 17-Jährige so zu formen, dass sie fertige Polizistinnen und Polizisten sind, wenn sie in den Tagesdienst entlassen werden.
Sind die Vorwürfe gegen Polizeischüler mit Migrationshintergrund ein spezielles Berliner Problem?
Was wir derzeit aus Berlin hören, haben wir noch aus keinem anderen Landesbezirk vernommen. Es gibt einzelne Schilderungen aus anderen Bundesländern: Dass Auszubildende über die Stränge schlagen und man sich deshalb von ihnen trennen muss. Das betrifft aber nicht nur Auszubildende mit Migrationshintergrund.
Könnte es sich bei den Vorwürfen gegen die Berliner Polizei-Azubis migrantischer Herkunft auch um versteckten Rassismus handeln?
Es wäre anmaßend zu behaupten, dass es bei der Berliner Polizei nicht einen einzigen Kollegen mit zumindest fragwürdiger politischer Meinung gibt. Aber ein generelles Problem mit Rassismus sehen wir nicht. Die Quote der Azubis mit Migrationshintergrund liegt seit Jahren bei etwa 35 Prozent. Was wir hören, ist, dass sie im täglichen Dienst als große Bereicherung empfunden werden.
4 Nov 2017
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