taz.de -- Kommentar Horst Seehofers Zukunft: Offene Revolte

Seine Gegner wollen sicherstellen, dass Horst Seehofer nach den Jamaika-Verhandlungen nicht einfach so weitermacht. Das dürfte ihnen gelingen.
Bild: Dem CSU-Vorsitzenden schlägt der Wind entgegen

Als Anhänger der Christsozialen müsste man Mitleid haben mit Horst Seehofer. Der CSU-Vorsitzende ringt in Berlin [1][bei den Jamaika-Sondierungen]. Er hat es schwer, angesichts der bundespolitisch geschwächten Position der Partei etwas herauszuschlagen, mit dem sich die „offene rechte Flanke“ – wie er das Defizit bezeichnet hatte – wieder schließen ließe.

Derweil wird aus der bayerischen Heimat ein Querschlag nach dem anderen gegen ihn platziert, [2][der bislang heftigste von der Jungen Union] mit der Forderung nach personeller Neuausrichtung. Das ist keine Hinterzimmerrevolte mehr, das ist offene Rebellion. Seehofer hat seit der Bundestagswahl schon ein paarmal zur Disziplinierung auf den Tisch gehauen, doch das nutzt nichts mehr.

Wenn die CSU spürt, dass es um ihre Existenz geht, wird sie nervös und verhält sich irrational. Mit 38,8 Prozent wie bei der Bundestagswahl könnte die Partei im kommenden Jahr auf Landesebene einpacken. CSU bedeutet absolute Mehrheit, ansonsten wäre die Partei nicht mehr als ein regionaler Exot. Das Seehofer-Bashing zum jetzigen Zeitpunkt ist kopflos. Ob er der Partei überdrüssig ist oder nicht: Kein anderer kann in Berlin so kalkuliert und ausdauernd für die CSU nerven wie Seehofer. Am allerwenigsten der Rivale Markus Söder, der die Hauptstadt meidet und den man dort nicht ernst nimmt.

Die Gegner wollen sicherstellen, dass Seehofer nach den Jamaika-Verhandlungen nicht einfach weitermacht. Das dürfte ihnen gelingen. Nun zeigt sich aber, wie fatal es war, dass der Parteichef und bayerische Ministerpräsident seine Nachfolge nicht geregelt, sondern Emporkömmlinge vor allem verhindert hat.

Alle künftigen Personalvarianten gehen aus verschiedensten Gründen nicht auf – ob Einzel- oder Doppelspitzen mit Söder, Joachim Herrmann, Manfred Weber oder Alexander Dobrindt. Mal sind die Politiker in Feindschaft verbunden, mal passt der regionale Proporz nicht. Hauen und Stechen ist vorgezeichnet. Inhaltlich ist zu befürchten, dass die Partei immer weiter in Richtung AfD driftet.

5 Nov 2017

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Patrick Guyton

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