taz.de -- Kolumne American Pie: Knackis in Rage
Die Proteste in der National Football League ebben nicht ab. Bei den Houston Texans richten sie sich gegen den eigenen Besitzer. Aus gutem Grund.
Die Häftlinge verlieren langsam die Geduld mit der Gefängnisleitung. „Trotz unserer Enttäuschung und unserer Frustration glauben wir weiter daran, dass Dialog die einzige Möglichkeit für Fortschritt ist“, teilten die Knastis in einem offiziellen Statement mit, nicht ohne mit einer kaum verhohlenen Drohung zu schließen: „Aber unsere Geduld wird kontinuierlich missachtet und zusehends weniger.“ Die Gefangenen sind gefrustet, weil ihr Gesprächsangebot nicht angenommen wurde: „Unsere Einladung wurde abgelehnt“, sagte Malcolm Jenkins, der in Philadelphia einsitzt.
Was nach einer landesweiten Gefängnisrevolte klingt, ist die aktuelle Entwicklung im Streit um die anhaltenden politischen Proteste in der National Football League (NFL). Kein Wochenende vergeht, in der nicht mehrere, meist afroamerikanische Spieler das Absingen des „Star-Spangled Banner“ dazu nutzen, um gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit zu demonstrieren. Und keine Woche vergeht, in der nicht irgendein Funktionär, Sportler oder US-Präsident seine Meinung zum besten gibt. Letzte Woche goss Bob McNair Öl ins Feuer. Als bei einem Geheimtreffen von Eigentümern von NFL-Klubs das Thema diskutiert wurde, sagte der Besitzer der Houston Texans: „Wir dürfen nicht erlauben, dass die Häftlinge das Gefängnis leiten.“
Als die Äußerung durchsickerte, entschuldigte sich der 79-jährige McNair zwar prompt, aber das Kind war in den Brunnen gefallen. Die Reaktionen waren erwartbar wütend, zum Teil aber auch überraschend abgeklärt wie die von Richard Sherman: „Ich weiß Menschen zu schätzen, die ehrlich sind. Keine Entschuldigung! Sie haben nur gesagt, was Sie denken. Farbe zu bekennen zeigt allen, wer sie wirklich sind“, twitterte der Defensivspezialist der Seattle Seahawks in Richtung McNair.
Niederknien gegen den Sklavenhalter
Trotz seiner Abbitte hat McNair nun dafür gesorgt, dass die Protestfront neuen Zulauf bekommt – nicht nur von Sportlern. Bürgerrechtler Jesse Jackson bescheinigte den NFL-Besitzern „die Mentalität von Sklavenhaltern“: Tatsächlich ist die Position der Spieler schwach, denn ihre Verträge können – im Gegensatz zu denen in der Basketball-Liga NBA – jederzeit gekündigt werden. Trotzdem lehnte sich McNairs eigenes Team, die Houston Texans, die bei der Hymne bislang immer tapfer mit der rechten Hand auf dem Herzen gestanden hatten, gegen ihren Sklavenhalter auf: Die Mannschaft diskutierte, ob sie das freitägliche Training boykottierten solle, und einzelne Profis weigerten sich auch, die Übungseinheit zu absolvieren. Am Sonntag vor dem Spiel in Seattle kniete zum „Star-Spangled Banner“ dann fast die ganze Mannschaft.
Die neueste Eskalationsstufe wurde am Montag erreicht, als ein schon länger angesetztes Treffen zwischen protestierenden Profis und Klubbesitzern, bei dem Möglichkeiten diskutiert werden sollte, wie sich Spieler und Liga zusammen gegen Rassismus und Polizeigewalt engagieren könnten, abgesagt wurde. Dabei hatte es zwischenzeitlich noch so ausgesehen, als würde sich die Liga hinter die Protestler stellen. Nach den Angriffen von Präsident Trump im September, als er die protestierenden Spieler als Hurensöhne bezeichnet hatte, verfasste NFL-Chef Roger Goodell erst einmal eine Solidaritätsnote.
Doch von dieser Einigkeit ist nichts mehr übrig. Nun brechen sie wieder auf, die grundsätzlichen Differenzen zwischen den Spielern, die ihre Bekanntheit nutzen wollen, um soziale Veränderungen anzuschieben, und den Eigentümern, die sich um ihr Geschäft sorgen. „Die wollen zurück zum Football“, sagte Malcolm Jenkins, der Verteidiger von den Philadelphia Eagles, „aber wir wollen mehr als nur die Demonstrationen während der Hymne. Wir wollen die Möglichkeit bekommen, uns weiter zu engagieren.“
1 Nov 2017
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