taz.de -- Kolumne Der Zuckerberg | Teil 6: Die Ostbühne
Ein vom Staat subventioniertes Theater bekommt eine neue Leitung. Das Volk heult auf, als hätte man das Ampelmännchen geköpft.
Mit der bevorstehenden Theatersaison legt auch die Affentheatersaison wieder los. Der gegenwärtig etwas abflauende Shitstorm rund um den [1][Intendanzwechsel an der Berliner Volksbühne] wird ungeahnte Dimensionen erreichen.
Auf Facebook prügeln sich Besserwessis mit Jammerossis, Totengräber der Kunst mit Archetypen des Humanismus, die Dissidenten von Prenzlauer Berg mit laktosefreien Neoliberalen aus Paraschwaben. Dabei ist nichts passiert.
Ein vom Staat subventioniertes Theater bekommt halt eine neue Leitung. Die alte erfährt, dass ihr das Haus nicht gehört, baut aber trotzdem alles ab, was nicht niet- und nagelfest ist. Das Volk heult auf, als hätte man das Ampelmännchen geköpft.
Dabei geht nur endlich ein weiterer der alten Garde von Theaterregisseuren, die (wie u. a. auch Peymann und Konwitschny) vor allem eins eint: wahnhafte Hybris sowie eine steinzeithierarchische Menschenführung, die im normalen Leben strafrechtliche Relevanz besäße.
Das Genie muss ein Schwein sein
Außenstehenden (und das sind, so ungern das Theater das hört, nun mal fast alle) lässt sich kaum mehr vermitteln, wieso man dort im 21. Jahrhundert angeblich immer noch nicht angstfrei und unter menschenwürdiger Ansprache arbeiten kann.
Hier aber werden Sexismus, Rassismus und Ausbeutung – in den nun aufschreienden Kreisen sonst geächtet – einfach weggewischt, denn die Kunst darf alles, das Genie muss ein Schwein sein, sonst wär’s unmöglich ein Genie; es ist, als wären die Menschenrechte mal eben unter dem Beifall der absoluten Kunstversteher ausgehebelt.
Und so ergießen sich seit Monaten Kübel voll unflätiger Kommentare über „den Neuen“ (wie der überhaupt heißt, will keiner wissen, denn das Neue ist grundsätzlich bäh, und dass er eine Programmdirektorin mitbringt, die Theater kann, ist ein Detail, das bloß beim Heulen stört), der uns unsere schöne Volksbühne zerstört.
Und so finde ich mich auf einmal in der undankbaren Position wieder, einen weiteren mutmaßlichen Laffen, Langweiler und Prätentionsrat zu verteidigen, der mir mitsamt seinem abgehobenen Subventionskosmos sonst mindestens so am Arsch vorbeiginge wie seine Vorgänger. Doch halt! Wie von den Kunsthysterikern fordere ich auch von mir selbst mehr Toleranz und Unvoreingenommenheit!
„Die machen mich fertig“
Denn vielleicht ist der Dings ja eigentlich ganz in Ordnung. Der Neue. Bestimmt kann man mit dem prima ein Bier trinken, am Ufer oder im Park. „Uli, die machen mich so fertig“, lallt er und reicht mir den Joint rüber. Sein Blick ist gehetzt, der Bart stoppelig, er wirkt ungepflegt. „Auf Facebook, auf Twitter und auf Instagram. Ich hätte die Ostbühne nie übernehmen dürfen.“ Er sagt versehentlich „Ostbühne“ statt Volksbühne – das muss man ihm nachsehen.
1 Sep 2017
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