taz.de -- Petition der Woche: Rechts abgebogen und verfahren
Ein Landratschauffeur aus Oberbayern wird wegen seiner AfD-Mitgliedschaft in die Ausländerbehörde versetzt. Das sorgt für Unmut.
Das oberbayerische Mühldorf am Inn ist ein ruhiges Städtchen, eine Stunde von München entfernt. Martin Wieser, Familienvater und 47 Jahre alt, ist fest im Ort verwurzelt. Seit 25 Jahren arbeitet er für das Landratsamt, fast 15 Jahre war er als Fahrer des Landrats Georg Huber (CSU) und Leiter des Fuhrparks tätig. Bis Wieser am 6. November 2016 der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) beitritt.
Daraufhin lässt Landrat Huber ihn freistellen und versetzen. Es kommt zum Rechtsstreit. Am 26. Juli 2017 die Einigung: [1][Martin Wieser soll Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde werden.]
Als Christine Deutschmann aus dem 200 Kilometer entfernten Lauf bei Nürnberg in der Zeitung davon erfährt, erscheint ihr die Entscheidung als Widerspruch in sich. „Ein AfDler hat in der Ausländerbehörde nichts zu suchen. Es macht etwas aus, dass man Mitglied einer Partei ist, die offen gegen Geflüchtete hetzt“, sagt sie. Am 27. Juli startet Deutschmann, selbst in der Flüchtlingshilfe aktiv, [2][eine Petition gegen die Versetzung]. Scharfe Kritik übt auch der Bayerische Flüchtlingsrat: Hier würde der Bock zum Gärtner gemacht.
Wird er das?
Am 6. November 2016 geht Martin Wieser auf eine Veranstaltung der AfD. „Das war ein toller Abend“, sagt er, „und die Leute sympathisch.“ Also lässt sich Wieser zum Beisitzer aufstellen und wird Vorstandsmitglied des Mühldorfer Kreisverbands. Er erzählt, dass man im Dorf manchmal Angst habe vor dem Einfluss fremder Kulturen und die AfD als bürgernah galt.
„Ich bin ein Mitläufer“, sagt Wieser, und: „Es hätte vielleicht auch die Linke sein können.“ Denn Wieser ist auch Bewunderer der Argumentationen von Sahra Wagenknecht. Aber die Linke hat an diesem Tag keine Veranstaltung in Mühldorf am Inn gemacht.
Versetzt in den niederen Dienst
Als der Landrat der 17.000-Einwohner-Stadt von der neuen Parteizugehörigkeit seines Fuhrparkleiters erfährt, lässt er ihn zum 1. Februar freistellen. Martin Wieser wird zur Arbeit im Bauhof versetzt, vom mittleren in den niederen Dienst. „Ich war schon schockiert, dass das gleich solche Konsequenzen hat“, sagt er. „Wir hatten ja auch schöne Zeiten. Das war so nicht abzusehen.“
Also klagt er. Will, dass die Versetzung rückgängig gemacht wird – oder eine vergleichbare Stellung. Er sieht keinen Widerspruch zwischen der Arbeit als Landratsfahrer und seinem Beitritt in die Partei – verboten sei die ja nicht.
Laut Wieser hat Landrat Huber seit der Freistellung kein Wort mit ihm gewechselt. Er war bei den Verhandlungsterminen im Mühldorfer Arbeitsgericht nicht anwesend und auch auf Anfrage der taz nicht zu einer Stellungnahme bereit. Hubers Anwalt spricht von einem Vertrauensbruch.
Als am 26. Juli das Urteil gesprochen werden soll, bietet ein Vertreter Hubers dem Exchauffeur einen Vergleich an: Einen Posten in der Rechtsabteilung der Ausländerbehörde soll Martin Wieser bekommen. Der nimmt an. „Er hat wohl darauf spekuliert, dass ich diese Stelle ausschlage“, sagt Wieser. Also wird er – nach einer einjährigen Fortbildung – über das Schicksal von Asylsuchenden entscheiden.
Ein typisches AfD-Mitglied?
Martin Wieser hat früher mal einem russischen Immigranten beim Ankommen ge- und zur Festanstellung verholfen, wie er sagt. „Das ist ein toller Kerl, ein Freund.“ Er hat jetzt Wiesers Job als Fahrer.
Ist so einer ein typisches AfD-Mitglied? Wieser sagt: „Wenn wir am Anfang mal darüber geredet hätten, wäre ich auf alle Fälle aus der Partei ausgetreten.“ Jetzt aber ist er weiterhin Mitglied.
„Meine Petition geht nicht gegen den Mann persönlich“, sagt Christine Deutschmann aus Lauf, die einen jungen Syrer bei sich aufgenommen hat. Aber man trete nur in eine Partei ein, wenn man von deren Zielen überzeugt sei und sie mitträgt – auch mit in die eigene Arbeit. „Der kann in einer anderen Abteilung sicher hervorragende Dienste leisten“, sagt sie.
Seit dem Start der Petition, die nach zwei Wochen rund 600 Unterstützer*innen hat, bekomme sie beleidigende Nachrichten aus rechtspopulistischen Kreisen. Das überrasche sie nicht. „Mir war es wichtig, dass die Sache Aufmerksamkeit erhält“, sagt sie. „Ich habe sehr viel Zuspruch bekommen – auch aus Mühldorf am Inn.“
12 Aug 2017
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