taz.de -- Umstrittene Justizreform in Polen: Die EU droht mit Sanktionen
Polen solle die umstrittene Justizreform aussetzen, fordert die EU-Kommission. Sie befürchtet „negative Konsequenzen“ für die Rechtsstaatlichkeit.
Brüssel afp | Die EU-Kommission hat die polnische Regierung aufgefordert, ihre [1][umstrittene Justizreform] auszusetzen. Brüssel habe „schwerwiegende Bedenken“ gegen dazu laufende Gesetzesvorhaben, erklärte die Behörde am Mittwoch. Sie könnten „sehr bedeutende negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz“ in Polen haben. Die Kommissare diskutierten demnach bei ihrer wöchentlichen Sitzung „rechtliche und politische Optionen“ als Reaktion, darunter Vertragsverletzungsverfahren und ein Verfahren, das bis zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene führen kann.
Die Kommission forderte die rechtsnationale polnische Regierung auf, den Dialog mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit wieder aufzunehmen. Sie kritisierte insgesamt vier Gesetzesvorhaben, die den Einfluss der Regierung auf die Besetzung von Richterstellen ausweiten sollen. Die Kommission will nun „eine umfassende rechtliche Analyse“ vornehmen und sich dann bei ihrem Treffen in der kommenden Woche erneut mit der Frage befassen.
Wegen einer vorangegangenen Justizreform hatte die EU-Kommission bereits im Januar 2016 ein Verfahren wegen Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit gegen Warschau eingeleitet. Grund war damals die Reform des Verfassungsgerichts, die aus Sicht Brüssels die Unabhängigkeit der Richter und die Demokratie in Polen in Gefahr bringt. Das bisher in der EU-Geschichte einmalige Verfahren gegen einen Mitgliedstaat kann bis zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene führen.
Mitte Mai hatte dann erstmals der EU-Ministerrat über die Lage des Rechtsstaates in Polen beraten. Die anderen EU-Regierungen forderten die EU-Kommission auf, vorerst weiterhin den Dialog mit Warschau zu suchen. Ein Stimmrechtsentzug setzt eine einstimmige Entscheidung der anderen Mitgliedstaaten voraus. Der Polen-Verbündete Ungarn hat bereits klar gemacht, dass er dies nicht mittragen würde.
Vertragsverletzungsverfahren kann die Kommission dagegen ohne Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten einleiten. Sie können bis zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof führen, der bei festgestellten Verstößen Geldbußen verhängen kann.
19 Jul 2017
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Tausende gehen in Polen gegen die Justizreform auf die Straße. Gefährdet ist auch die Zusammenarbeit mit der EU. Nun hat Präsident Andrzej Duda reagiert.
Das polnische Unterhaus hat den Entwurf verabschiedet, der die Unabhängigkeit der Justiz beschneidet. Die EU hatte zuvor mit Sanktionen gedroht.
Polens Präsident Andrzej Duda strebt wie die PiS die Aufhebung der Gewaltenteilung an. Dabei soll er die Verfassung eigentlich schützen.
Polens Staatsoberhaupt will die umstrittene Justizreform nicht absegnen. Er legt einen eigenen Gesetzentwurf vor. Auch dieser ist verfassungswidrig.
Polens Regierungspartei will die Gewaltenteilung abschaffen. Bleibt nur zu hoffen, dass Präsident Duda Vernunft zeigt.
Die polnische Regierung ist von nationaler Eitelkeit getrieben. Sie will die EU schwächen und die deutsche Vormacht einschränken.
Ist der polnische Rechtsstaat in Gefahr? Die Brüsseler EU-Kommission sorgt sich. Nun erhöht sie noch einmal den Druck.