taz.de -- Kommentar Gabriels Wahlkampfhilfe: Kein guter Stil

Außenminister Gabriel nutzt einen Moment maximalen öffentlichen Interesses aus, um den Spitzenkandidaten Schulz ins Rampenlicht zu rücken.
Bild: Martin Schulz ist kein Regierungsmitglied, er hat nicht mal ein Bundestagsmandat

Es war ein wichtiger Moment in der Geschichte des Auswärtigen Amtes. Fünfzehn Minuten lang gab Außenminister Sigmar Gabriel eine Erklärung zur „[1][Neuausrichtung der Türkei-Politik der Bundesregierung]“ ab. Bei der Wirtschaftshilfe, beim EU-Beitritt und beim Tourismus wolle man die türkische Regierung treffen. Die Gründe für diese Entscheidungen legte Gabriel ausführlich dar. Es hätten fünfzehn Minuten abgestimmten Regierungshandelns sein können. Es waren dann aber auch fünfzehn Minuten Wahlkampf.

Gleich dreimal während seiner Einlassungen erwähnte der SPD-Politiker Gabriel, wie einverstanden sein Parteivorsitzender mit den von der Regierung beschlossenen Maßnahmen sei. Bevor er sie dann aufzählte, nannte er gar den Namen des Spitzenkandidaten seiner eigenen Partei vor dem der amtierenden Regierungschefin. Und am Ende meinte Gabriel noch erwähnen zu müssen, dass Martin Schulz auch noch was zum Thema Zollunion zu sagen gehabt hätte.

Das ist schlicht kein guter Stil. Martin Schulz ist kein Regierungsmitglied, er hat nicht mal ein Bundestagsmandat. Und ja, das ist ein Manko für ihn im Wahlkampf. Aber kein Grund dafür, dass sein Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden einen Moment maximalen öffentlichen Interesses ausnutzt, um dem SPD-Spitzenkandidaten außenpolitisches Gepräge zu verleihen. Dafür ist das, was die Große Koalition beschlossen hat, viel zu ernst und viel zu weitreichend.

Schön (und auch erwartbar), dass die Koalitionsparteien ihre Haltungen und Erwartungen Richtung Regierung kommunizieren. Aber an diesem Donnerstag geht es um die tiefe Krise mit einem Staat, mit dem Deutschland und seine Bürger mehr als nur ein bisschen verbindet. Es geht um Menschen, die in türkischen Gefängnissen auf Lösungen hoffen. Viel mehr bleibt ihnen derzeit nicht. Das sind die Leute, für die diese Bundesregierung jetzt arbeiten muss. Und das geht nur: Hand in Hand.

20 Jul 2017

LINKS

[1] /!5432404

AUTOREN

Anja Maier

TAGS

Sigmar Gabriel
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Türkei
Pressefreiheit in der Türkei
Schwerpunkt Deniz Yücel
Martin Schulz
Schwerpunkt Türkei
Pressefreiheit in der Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Türkei

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Schulz' Wahlkampfstrategie: Der Merkelvertreter

Um Italien zu entlasten, will Martin Schulz ankommende Flüchtlinge auf andere EU-Staaten verteilen. Dass das nicht funktioniert, zeigt sich seit 2015.

Deutsch-türkische Spannungen: Werden Exportgarantien gestoppt?

Die Bundesregierung wird offenbar keine Exportgarantien mehr erteilen. Schon nächste Woche könnte es soweit sein.

Kommentar Türkei-Sanktionen: Nebenwirkungen inklusive

Außenminister Gabriel kündigt eine Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik an. Aber reicht das, um Erdoğan zur Mäßigung zu bewegen?

Als Reaktion auf Inhaftierungen: Berlin verschärft Türkei-Politik

Außenminister Sigmar Gabriel kündigt eine Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik an – mit Folgen für Tourismus und Wirtschaft.

Türkei nimmt Menschenrechtler fest: Botschafter in Berlin einbestellt

Wegen der Festnahme von sechs Aktivisten hat das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter einbestellt. Außenminister Gabriel bricht deshalb seinen Urlaub ab.

Nato-Stützpunkt in Konya: Türkei verhindert Abgeordneten-Reise

Nach dem Incirlik-Streit dürfen deutsche Abgeordnete nun auch den Nato-Stützpunkt in Konya nicht besuchen. Die Absage könnte eine Retourkutsche Erdoğans sein.