taz.de -- Die Wahrheit: Herrliche Peitschen

Verbraucherschutz: Wie in jedem Jahr gab es auch jetzt einen Diktaturentest, der die besonderen Anforderungen einer Tyrannei herausstellt.
Bild: Guckt immer, als könne er kein Wässerchen trüben: der Emir von Katar, Scheich Al-Thani

Die Stiftung Unterdrückungskultur hat, wie in jedem Jahr, die rund 50 diktatorisch regierten Ländern der Welt untersucht und in eine Rangliste gebracht. Erneut werden die erschütternden und menschenverachtenden humanitären Zustände in vielen Ländern . . . Pressefreiheit . . . Folter . . . blablabla – mal ehrlich: Für uns Deutsche sind doch ganz andere Dinge interessant. Wie ist das Wetter? Ist man am Strand sicher vor Schwarzhändlern? Und werden fair gehandelte Waffen verwendet?

Deshalb haben wir den Diktaturentest speziell für unsere Leser ausgewertet und stellen hier die besten Despotien vor. Selbstverständlich haben unsere Leser unterschiedliche Prioritäten. Den einen ist wichtig, dass es keine staatlichen Hundefänger gibt und Frauen endlich gleiche Chancen auf Planstellen als Foltermagd und Diktatorin bekommen; die anderen interessiert eher, ob der Strand frei von Behinderten, Kindern und Engländern ist.

Sachsen hingegen legen traditionell strenge Maßstäbe an den Härtegrad von Diktatorinnen und Diktatoren an und wollen wissen, „ob die Hitler gut finden“, wie viele Kilometer Autobahn sie gebaut und welche Bevölkerungsgruppen sie bereits ausgemerzt haben. Und die Fernsehnase Guido-Maria Kretschmer interessiert als Modedesigner vor allem die Gesellschaftsfähigkeit („Monaco-Faktor“) des Diktators und die Garderobe seiner Familie. Aber allen Verbrauchern gemein ist: Service, Qualität und Nutzerfreundlichkeit („Gibt’s ’ne App?“) sind wichtig.

Wir haben uns vier ausgewählte Diktaturen genauer angeschaut. Viele Highlights wie die trotz sowjetischer Bauweise guten Haltbarkeitswerte der Diktatur in Syrien sowie die Position Saudi-Arabiens als Urlauberparadies für SM-Schiiten können hier leider nicht vertieft werden.

Die Türkei ist eine echte Wohlfühldiktatur: Sonne satt, tolle Strände und praktisch keine Kleidervorschriften für zahlende Gäste. Dazu kommt ein Führer mit hohem Unterhaltungswert: neun von zehn Punkten auf der Größenwahnskala und sogar volle zehn Machopunkte. Kleine Abzüge gibt es wegen mangelhafter Verständlichkeit der Gebrauchsanleitüng, wegen des Tempolimits auf Autobahnen und wegen des Restrisikos für Journalisten. Gute Werte bei der EU-Kompatibilität. Bekanntester Ausspruch des Despoten: „Hinter jedem guten Diktator steht eine grausame Frau.“

In Katar ist zunächst der hohe Glamourfaktor zu loben: Es gibt Hunderte von First Ladies, die alle von Kopf bis Fuß in feinstes Tuch gehüllt sind. Ein Plus sind auch die Bemühungen um Wintersportmöglichkeiten: Mehrere Mehrwasservereisungsanlagen sind im Bau. Vorsicht ist allerdings geboten beim Thema „Unverbindliche Vielweiberei“: Anders als im liberalen Thailand werden Gäste in Katar gegenüber den Einheimischen klar diskriminiert. Denn nur männliche Gäste dürfen sich an der Vielweiberei beteiligen. Frauen sind mal wieder außen vor.

Kaum Chancen auf Weltherrschaft

Allerdings gibt es Pluspunkte beim Service: Einreisevisa für Arbeitssklaven werden sehr schnell und unbürokratisch erteilt. Klar auf der Minusseite: Katar hat kaum Chancen auf die Weltherrschaft. Keine Angaben macht der Hersteller leider zur durchschnittlichen Haftdauer und zur Dicke der Peitschenschnüre. Als besondere Fähigkeit des Diktators nennt die Stiftung, dass er eine brennende Ölquelle auspusten kann. Berühmtestes Zitat des „grünen“ Emirs: „Das mit den Autobahnen war sicher ein Fehler von Hitler – aaaaber er hat die Juden umgebracht.“

Als pittoreskes Schmuckstück unter den Kleindiktaturen gilt Nordkorea. Bekanntlich zählt „Lage, Lage, Lage“: Im Osten und Westen Meer, so weit das Auge blickt, und im Süden das Einkaufsparadies Seoul. Legendär ist das Strandleben: Aus vergitterten Umkleidekabinen treten verängstigt kichernde Menschen in längsgestreiften Ganzkörper-Anzügen. Jegliches Baden wird als Fluchtversuch mit Erschießen bestraft. Das Hinsetzen und -legen ist verboten, solange der führende Führer Kim Jong Un noch nicht da ist. In San Dhau Fen, dem Partnerstrand von Scharbeutz, flechten Kinder mit ihren Milchzähnen feinste Strandkörbe. Das muss man als Gast einfach erlebt haben.

Die Testfrage, ob man sich nachts ohne Angst auf die Straße trauen könne, musste mangels Straßen entfallen. Die nordkoreanischen Henker schneiden im internationalen Vergleich gut ab; Abzüge gibt es jedoch bei der Mülltrennung. Der Landesvater (von allen nur „Ritter Sport“ genannt) ist angeblich in der Lage, alle Primzahlen durch Null zu teilen und ohne Hilfsmittel aus dem Stand bis Kalifornien zu springen, wobei er seinen atomaren Quadratschädel zielgenau auszurichten vermag.

Teilweise für Stirnrunzeln hat die Aufnahme Islands in den Test gesorgt; zur Erklärung gab die Stiftung später an, dass die Durchschnittstemperatur auf der Insel im Norden fälschlich als soziale Kälte gewertet worden sei. So manche Diktatur weiß eben noch gar nichts von ihrem Glück, dabei sein zu dürfen.

4 Jul 2017

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Domzalski

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