taz.de -- Juristisches Tauziehen bei der G20-Demo: Camp ohne Camping?
Wer darf was? Und was kann wie verboten werden? Der Kampf um die Hamburger Protestcamps wird vor Gericht ausgefochten. Das ist die aktuelle Lage.
Berlin taz | Gehört das Übernachten in Zelten zu einem Protestcamp, oder genügt es, wenn es Workshop-Zelte gibt? Das ist inzwischen die entscheidende Frage im Streit um das „antikapitalistische Camp“ zum G20-Gipfel.
Ursprünglich ging die Stadt davon aus, dass das im Hamburger Stadtpark geplante Camp keine Versammlung ist. Sie verbot daher das Zelten auf Grünanlagen. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat dies am 22. Juni bestätigt.
Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht am 28. Juni eine einstweilige Anordnung erlassen, wonach das Camp „möglichst weitgehend ermöglicht werden“ soll. Karlsruhe ließ zwar die Grundfrage offen, ob ein Protestcamp als mehrtägige Versammlung vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt ist. Im Rahmen einer Folgenabwägung kamen die Richter aber zum Ergebnis, dass das G20-Camp „vorsorglich“ nach Versammlungsrecht zu behandeln ist.
Die Verfassungsrichter zeigten den Behörden aber zugleich Möglichkeiten auf, um die Grünflächen vor nachhaltigen Schäden zu schützen: Sie können den Umfang des Camps beschränken oder dem Camp einen anderen Ort zuweisen und dort neue Einschränkungen auferlegen. Insbesondere seien die Behörden „berechtigt, die Errichtung von solchen Zelten und Einrichtungen zu untersagen, die ohne Bezug auf Akte der Meinungskundgabe allein der Beherbergung von Personen dienen sollen, welche anderweitig an Versammlungen teilnehmen wollen“.
Die Veranstalter schlugen nun von sich aus einen neuen Ort vor: den Elbpark Entenwerder. Die Polizei wollte auch dort keine Übernachtungen zulassen. Doch das Verwaltungsgericht Hamburg erklärte Übernachtungen am Samstag ausdrücklich für zulässig. Die Stadt habe sich mit dem geplanten neuen Standort Entenwerder gar nicht richtig beschäftigt.
Kann man schlafend eine Meinung kundtun?
Nun akzeptierte die Stadt den Standort Entenwerder, aber nur auf der Hälfte der geplanten Fläche. Außerdem wurden nur zehn Workshop-Zelte erlaubt. Übernachtungszelte und Duschen wurden mit einer neuen Verfügung am Abend wieder verboten. Dagegen erhoben die Veranstalter Widerspruch: „Ein Camp ohne Übernachtung und Versorgung ist kein Camp.“ Alle, die im Camp übernachten, nähmen an meinungsbildenden Veranstaltungen dort teil, so die Kläger.
Doch eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts Hamburg lehnte es am Sonntagabend ab, dem Widerspruch aufschiebende Wirkung zu geben. „Das Übernachten in einem Zelt ist an sich neutral und nicht Ausdruck einer Meinungskundgabe, denn schlafend kann man grundsätzlich keine Meinung kundtun“, argumentierten die Richter.
Der Anwalt der Veranstalter, Martin Klingner, legt nun Beschwerde beim OVG Hamburg ein. Wenn er dort keinen Erfolg hat, kann er erneut das Bundesverfassungsgericht um eine einstweilige Anordnung bitten. Karlsruhe kann dann klarstellen, dass das Camp auch Übernachtungszelte umfassen darf.
4 Jul 2017
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