taz.de -- Kommentar Linke am Pranger: Präventive Repression
Der Verfassungsschutz veröffentlicht die Namen linker Aktivist*innen im Internet. Er konterkariert sich damit selbst.
Der Verfassungsschutz hat seine Hauptgegner*innen bezüglich der G-20-Proteste identifiziert und ihre Namen im Internet veröffentlicht. Seit Samstag finden sich auf der Seite der Hamburger Innenbehörde die Namen und weitere Informationen zu drei Protagonist*innen der Proteste: Emily Laquer von der „Interventionistischen Linken“, Halil S. von der linksradikalen Gruppe „Roter Aufbau“ und Andreas Blechschmidt vom autonomen Kulturzentrum „Rote Flora“ stehen hier am Pranger.
Damit erreicht die an Psychoterror grenzende Einschüchterung von Aktivist*innen im Vorfeld linker Proteste ein neues Level. Das Vorgehen des Verfassungsschutzes ist niederträchtig und verantwortungslos.
Dass der Inlandsgeheimdienst nicht zimperlich ist, wenn es um die Verfolgung und Einschüchterung Linker geht, ist bekannt. Gefährderansprachen vor politischen Großereignissen gehören ebenso zur Einschüchterungstaktik wie Hausdurchsuchungen und Überwachungsoffensiven.
So auch dieses Mal: Schon vor einem halben Jahr waren Mitbetreiber*innen eines linken Zentrums nahe den Messehallen an ihren Arbeitsplätzen vom Verfassungsschutz aufgesucht worden. Unmissverständlich hatten die Geheimdienstler*innen vor allen Anwesenden klargemacht, dass sie die Betroffenen im Visier haben.
Die Hausdurchsuchung bei Halil S. und in den Räumen des „Roten Aufbau“ Ende vergangener Woche fällt ebenso in die Reihe von Gipfelrepressionen. Bewaffnete und vermummte Polizist*innen hatten am Freitagmorgen die Türen eingetreten und die Räume mit gezogener Waffe gestürmt.
Durch solche präventiven Repressionen vor Protestereignissen will der Verfassungsschutz Linken Angst machen und sie so daran hindern, ihre Meinung kundzutun – also von ihren verfassungsmäßig garantierten Grundrechten Gebrauch zu machen. Vor wem also muss die Verfassung in Wirklichkeit geschützt werden? Der Verfassungsschutz konterkariert sich selbst.
Die Einschüchterungsmanöver sind zwar durchsichtig, dürften aber trotzdem eine gewisse Wirkung entfalten. An wem soll es spurlos vorbeigehen, wenn er morgens von Polizist*innen mit gezogener Waffe geweckt wird wie bei der Hausdurchsuchung oder mit Klarnamen und aktivistischem Werdegang von der Innenbehörde geoutet wird?
Den Betroffenen kann man nur starke Nerven wünschen. Was hingegen den Verfassungsschutz betrifft, zeigt sich mal wieder, was spätestens seit Auffliegen des NSU allen klar sein müsste: Der Inlandsgeheimdienst ist die unseriöseste aller Behörden und richtet unkontrolliert Schaden an. Seine Abschaffung ist überfällig.
2 Jul 2017
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der G20-Freitag war von Gewalt geprägt. Tagsüber gab es friedliche Proteste, abends randalierten Autonome. Bis zur Räumung von Spezialeinheiten der Polizei.
Zu den großen Themen des Hamburger Gipfels zählt Afrika. Doch vom gesamten Kontinent ist nur ein Land in Hamburg vertreten: Südafrika.
Der Verfassungsschutz präsentiert seinen neuen Jahresbericht. Sorgen bereiten dem Amt der islamistische Terror, Reichsbürger und G20.
Nickerchen verboten: Elf Übernachtungszelte waren der Polizei genug. Sie räumte gleich in der ersten Nacht ein Protestcamp.
Die „Protestwelle“ gegen den Gipfel war nicht besonders hoch. Das lag am Wetter – und daran, dass die NGOs ein wichtiges Konfliktfeld meiden.
Bei den Camps geht es ans Eingemachte: Entweder die Polizei versucht sie zu verhindern oder es gibt absurde Auflagen.
Diverser – und erfolgreicher? Nach Heiligendamm könnte Hamburg ein neuer Meilenstein der linken Bewegung werden.