taz.de -- Das war die Woche in Berlin I: Das Symbol will nicht weichen

Das Rad vor der Volksbühne lässt sich nicht so einfach abbauen. Doch auch wenn das Wahrzeichen noch bleibt: Mit der Volksbühne, wie man sie kennt, ist nun Schluss
Bild: Das Wahrzeichen sollte am Mittwoch abgebaut werden, doch das klappte nicht

Sie zogen und zogen, doch die „Räuberrad“ genannte Eisenskulptur vor der Volksbühne wollte nicht wackeln, nicht weichen. Daraufhin wurde am späten Mittwochabend der erste Versuch abgebrochen, das bekannte Wahrzeichen des Theaters abzubauen.

Welch schönes Bild! Fast so, als ob das Symbol eines der wichtigsten Theater im deutschsprachigen Raum länger als geplant Symbol bleiben und sich nicht rein reißen lassen will in die bisweilen obskur anmutenden Diskussionen über die Volksbühne, ihren scheidenden Intendanten Frank Castorf und das damit verbundene Ende einer Ära.

An diesem Sonnabend ist es nun so weit: Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wie wir sie kennen, ist Geschichte. Die letzte Vorstellung startet um 16 Uhr, abends soll auf dem Platz wild und laut – wie dieses Theater eben gerne war – gefeiert werden.

Was danach kommt, lässt sich teilweise ziemlich genau absehen, andererseits überhaupt nicht. Castorfs Nachfolger Chris Dercon, der vormalige Leiter der Tate Gallery of Modern Art in London, setzt stark auf internationale Produktionen, die im Theater und auf einer Satellitenbühne auf dem Tempelhofer Feld kurz Station machen sollen.

„Eventisierung“ nennen das die vielen Kritiker. Dercon verteidigte sein Profil am Montag noch einmal im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses: „Wir machen keinen radikalen Neustart. Wir sind auf Kontinuität aus.“ Allerdings wolle er das Haus zu einem Mehrspartenhaus machen – mit Theater, Tanz, Musik, Kunst, Mode und der Kultur des Digitalen. Das klingt letztlich wie das Programm des HAU, nur mit mehr finanziellen Mitteln.

Bleibt die Frage, ob die Berliner Theatergänger Dercons Angebot annehmen. Davon allein wird es letztlich abhängen, ob all die Kritik, Häme, Beschimpfungen, Ängste der vergangenen zwei Jahre schnell zu einer vergessenen Inszenierung werden – oder ob Dercons Intendanz nur ein kurzes Gastspiel bleibt.

Auch die Zukunft des „Räuberrads“ ist unklar: Am Freitagabend gelang es immerhin, es doch noch abzubauen. Nun soll es – wie am Mittwoch bekannt wurde – erst zum Theaterfestival nach Avignon reisen, dann ein Jahr lang saniert werden und schließlich entweder am selben Platz oder „einem anderen, würdigen Standort“ aufgestellt werden.

1 Jul 2017

AUTOREN

Bert Schulz

TAGS

Berliner Volksbühne
Frank Castorf
Chris Dercon
Abschied
Berliner Volksbühne
Berliner Volksbühne
taz.gazete
Berliner Volksbühne
Berliner Volksbühne
Berliner Volksbühne

ARTIKEL ZUM THEMA

Start in die Berliner Theatersaison: Die Volksbühne ist noch eine Baustelle

Der umstrittene Intendant Chris Dercon stellt die neue Bühne im Tempelhof-Hangar fünf vor – und hofft auf Anerkennung durch die Berliner.

Intendantenwechsel an der Volksbühne: Man wird ja wohl noch heulen dürfen

Fünfundzwanzig Jahre Frank Castorf an der Berliner Volksbühne sind am Samstagabend zu Ende gegangen – unsere Autorin vergoss ein Tränchen.

Volksbühnen-Chef stellt Programm vor: Dercons erster Akt

Wie viel Theater steckt in dieser Kunst? Im Flughafen Tempelhof stellten Volksbühnen-Chef Chris Dercon und sein Team das Programm ab September vor.

Berliner Volksbühne: Haben die 'n Rad ab?

Mit dem Ende der Ära Castorf soll auch die berühmte Rad-Skulptur vor der Volksbühne verschwinden. Ist das eine überzogene Trotzreaktion?

Debatte um Berlins Volksbühne: Dercon bleibt nicht mal der Rost

Die metallene Radskulptur, das Wahrzeichen des Theaters, wird abgebaut. Das ist auch ein Protest gegen den künftigen Intendanten.

Protest in der Berliner Volksbühne: Dissidenten bis zum Schluss

Die Belegschaft des Hauses protestiert gegen den neuen Intendanten Chris Dercon: Die Identität des Hauses werde geschleift. Was heißt das?