taz.de -- Die Wahrheit: Sommerkunst

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Die Leserschaft darf sich an einem Poem über das Wahre, Schöne und Banale erfreuen.

Des Bildungsbürgers Zeit der Brunst

ist heuer allemal der Sommer.

Auch ich werd kulturell jetzt frommer

und ziehe in die weite Kunst,

ins Wahre, Schöne und Banale.

Das schwitzt aus sämtlichen Kanälen.

Was soll ich wohl als Erstes wählen?

Vielleicht Venedig? Biennale!

Im alten Hafen und in Gärten

durchsandalier ich Pavillons,

lutsch brav die sauren Kunstbonbons

aus postmodernen Gegenwärten.

Dann rasch zurück. Wo sonst Lemuren

und der Westfalen Götter wohnen,

erstrahlen die drei Dimensionen:

In Münster zeigt man mir Skulpturen.

Schon fühle ich mich transzendenter.

Kann ich danach noch halbwegs stehn

zieht’s mich nach Kassel, sprich: Athen.

Zum Abschluss gibt’s da Documenta.

Dreifach erbricht in Aug und Ohr

sich so die Kunstwelt prall und hell.

Sie zeigt des Sommers Naturell:

Der kommt mir ganz schön künstlich vor.

22 Jun 2017

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P. Neuhaus

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