taz.de -- Kommentar Wahl in NRW: Riecht nach Angst

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin in NRW, hat der Linken nicht zum ersten Mal eine klare Absage erteilt. Diesmal wirkt sie aber seltsam.
Bild: Kratftvoll von der Linken abgewendet

Hannelore Kraft wirkt auf den letzten Metern unsouverän. Natürlich ist es keine Überraschung, dass die Sozialdemokratin, die sich wie die rechtmäßige Königin Nordrhein-Westfalens fühlt, gegen die Linke eine tiefe Abneigung hegt. Kraft erzählt seit Jahren, dass die Partei nicht regierungsfähig sei, dass sie in einem Wolkenkuckucksheim lebe, dass sie sich nicht an die in der Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse halten wolle.

Doch der strikte Ausschluss von Rot-Rot-Grün ein paar Tage vor der Wahl ist eine Notoperation, die nach Angst riecht. Kraft hat im Wahlkampf Fehler gemacht, und sie hat es nicht geschafft, den Schulz-Hype zu verstetigen. In Umfragen liegt sie wieder Kopf an Kopf mit dem CDU-Mann Armin Laschet, der klug zwischen Sicherheitsthemen und einer modernen Migrationspolitik balanciert.

Mit der Absage an die Linke will Kraft nun all jene WählerInnen binden, die Rot-Rot-Grün für die Rückkehr des Kommunismus halten. „Alarmstufe doppelrot“ plakatiert die CDU. Und das Märchen von der dunkelroten Gefahr verfängt leider bis heute, auch wenn Rot-Rot-Grün in Thüringen sozialdemokratische Politik macht und Außenpolitik in einem Bundesland keine Rolle spielt.

Kraft geht nun in eine Falle, die die SPD eigentlich aus dem Weg geräumt haben wollte. 2013 beschlossen die Sozialdemokraten, Koalitionen mit der Linkspartei nicht mehr grundsätzlich auszuschließen. Diese kluge Entscheidung kam schon damals viel zu spät.

Mehrere Optionen zu haben, das ist in dem komplexer werdenden Parteiensystem wichtiger denn je. Eine ängstliche SPD, die sich dauerhaft zur Wasserträgerin der CDU degradiert, kann sich gleich eine Grabplatte ans Willy-Brandt-Haus schrauben.

Kraft hätte auf die Kampagne der NRW-CDU auch selbstbewusst antworten können: Nein, wir schließen diese Koalition nicht aus. Aber seien Sie sicher – mit uns wird es keinen finanzpolitischen Amoklauf geben.

10 May 2017

AUTOREN

Ulrich Schulte

TAGS

Schwerpunkt Landtagswahlen
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
NRW
Hannelore Kraft
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Landtagswahlen

ARTIKEL ZUM THEMA

Hannelore Krafts NRW-Wahlkampf: Nah bei den Leuten

In der westfälischen Provinz pflegt die Ministerpräsidentin ihr Image als Kümmerin. Ob das aber reicht? Sie scheint selbst zu zweifeln.

CDU, Grüne und FDP vor der NRW-Wahl: Sicher ist nichts, Distanzierung ist alles

Die CDU hofft auf die Wähler in der Provinz. Die Grünen besinnen sich auf die linksliberale Kernklientel. Die FDP will in den Bundestag.

NRW-Innenminister Ralf Jäger: Die Belastung

Viele Skandale fallen in seine Amtszeit, zum Beispiel die Kölner Silvesternacht. Ralf Jäger befindet sich in der Defensive und setzt dennoch auf Angriff.

Macrons Reformprogramm: Große Erwartungen

Er soll Terror und Arbeitslosigkeit bekämpfen, Korruption bestrafen und die sozialen Probleme lösen. Dafür ist eine Menge Optimismus gefragt.

TV-„Wahlarena“ in NRW: Buhrufe für die AfD

Eine Diesel fahrende Grüne, ein nachdenklicher Pirat, ein nervöser Rechtspopulist: Zehn Tage vor der Landtagswahl in NRW wird es im TV spannend.