taz.de -- Selbstmordanschlag in Afghanistan: Mindestens 19 Tote in Kabul
Bei einem Anschlag auf den Obersten Gerichtshof Afghanistans sind mindestens 19 Menschen gestorben. Dutzende weitere sind verletzt.
Kabul dpa | Bei einer Selbstmordanschlag vor dem Obersten Gerichtshof Afghanistans in der Hauptstadt Kabul sind mindestens 19 Menschen getötet und 41 verletzt worden. Das sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Wahid Madschroh, am Dienstagnachmittag.
Ein Sprecher des Innenministeriums, Nadschib Danisch, sagte, der Täter sei zu Fuß gewesen und habe seine Sprengladung am Tor des Gerichts gezündet. Alle Opfer seien Zivilisten, sagte er. Medien hatten zuvor von einem Anschlag auf dem Parkplatz berichtet.
Anwohner berichteten über soziale Medien, die Bombe sei hochgegangen, als Angestellte das Gerichtsgebäude nach Feierabend verließen. Der Passant Abdul Dschamil Miachel erzählte, er habe gerade seinen Sohn zum Arzt gebracht und in einer Apotheke nahe dem Gericht gewartet, als es einen sehr lauten Knall gab. „Die Wände haben gewackelt und alle Medikamente sind auf den Boden gefallen“, sagte Miachel.
Der Sprecher der Kabuler Polizei, Basir Mudschahid, sagte, zu Opfern oder Tätern gebe es noch keine Hinweise. Bisher hat sich keine Extremistengruppe zu der Tat bekannt.
Die radikalislamischen Taliban greifen seit Jahren regelmäßig Gerichte und ihre Mitarbeiter an. Sie wollen Afghanistan ausschließlich unter dem islamischen Scharia-Gesetz sehen.
Drei Viertel aller Opfer in Kabul
Erst einen Tag vor dem Anschlag hatten die Vereinten Nationen ihren Jahresbericht zu zivilen Opfern des afghanischen Krieges vorgestellt. Darin hatten sie auch auf den Anstieg der vor allem von Islamisten verübten Selbstmordanschläge im Land aufmerksam gemacht. Drei Viertel aller Opfer gab es in Kabul. In 16 Anschlägen wurden im vergangenen Jahr 1.514 Zivilisten getötet oder verletzt. Das ist ein Anstieg um 75 Prozent gegenüber 2015.
Die UN machten die radikalislamischen Taliban für mindestens 61 Prozent aller zivilen Opfer verantwortlich. Die wiesen den Bericht am Montag als unfair und falsch zurück.
7 Feb 2017
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