taz.de -- Europa-Parlament gibt Ceta frei: Protest blieb vor der Tür

Das Europaparlament stimmt mit großer Mehrheit dem Freihandelsabkommen mit Kanada zu. Zahlreichen Demonstranten zum Trotz.
Bild: 3,5 Millionen Unterschriften gegen Ceta konnten das EU-Parlament nicht umstimmen

Straßburg/Brüssel taz | Der Freihandel ist tot, lange lebe der Freihandel! Mitten im transatlantischen Streit über Exportüberschüsse und Strafzölle hat das Europaparlament in Straßburg am Mittwoch das Ceta-Abkommen mit Kanada angenommen. Nach siebenjährigen Verhandlungen fallen damit ab April die letzten Handelsbarrieren mit dem nordamerikanischen Land.

Das Votum gilt als Signal an US-Präsident Donald Trump, der dem Freihandel den Garaus machen möchte. TTIP, das US-amerikanische Pendant zu Ceta, hat Trump bereits begraben. Auch das TPP-Abkommen mit den Pazifikstaaten hat der republikanische Präsident gekündigt. Seither geht in Europa die Angst vor einem neuen Protektionismus um.

„Wer gegen Ceta ist, ist für Trump“, hieß es in der teilweise hitzigen Parlamentsdebatte vor der Abstimmung. „Ceta ist ein trojanisches Pferd der US-Multis“, hielten die Kritiker dagegen. Sie konnten sich nicht durchsetzen.

Für den Vertrag votierten 408 Abgeordnete. 254 Parlamentarier – neben den Grünen Vertreter der Linken, Euroskeptiker und Rechtsextreme – votierten mit Nein, 33 enthielten sich. Obwohl die EU auf einige Bedenken eingegangen ist und vom „weltweit fortschrittlichsten Handelsvertrag“ spricht, waren die Gräben am Ende tiefer denn je.

„Privilegien für Großunternehmen“

„Die Ceta-Gegner reden uns ein, Kanada sei eine existenzielle Bedrohung für Europa – was für Unsinn.“ So ereiferte sich nicht nur der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff. Sein CDU-Kollege Michael Gahler behauptete, die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die AfD-Vorsitzende Frauke Petry säßen mit ihrer Ceta-Kritik im selben Boot.

Schweres Geschütz fuhren aber auch die Gegner auf. Das Abkommen sei ein „Schlag gegen Frankreich und gegen Europa“, sagte der linke französische Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon. „Eine kluge Handelspolitik lehnt Privilegien für Großunternehmen ebenso ab wie Protektionismus“, betonte der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer. „Dieser Kampf geht weiter.“

Vor dem Parlamentsgebäude in Straßburg hatten sich schon seit dem frühen Morgen Demonstranten gegen Ceta eingefunden. Etwa 30 junge Menschen in weißen Maleranzügen lagen in einer Reihe vor dem Eingang. Die Gruppe hatte sich eingehakt, teilweise steckten ihre Arme in Kunststoffrohren. Sie sangen, hielten Banner hoch und blockierten sitzend, liegend und stehend den Eingang zum EU-Parlament.

Erst gegen zehn Uhr begannen französische Polizisten damit, die Demonstranten zurückzudrängen. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Abgeordneten bereits über die Protestierenden gestiegen.

Noch lange nicht durchgewunken

Nach dem Ja der Europaabgeordneten müssen als Nächstes 38 nationale und regionale Parlamente in der EU dem Abkommen zustimmen. Erst danach kann es endgültig und vollständig umgesetzt werden. Ab April fallen zwar die meisten Handelsbarrieren. Die neuen, öffentlichen Schiedsgerichte für Investoren müssen jedoch noch auf die endgültige Ratifizierung warten.

Die europaweite Bürgerinitiative gegen Ceta hat bereits Widerstand angekündigt. Sie hatte am Montag 3,5 Millionen Unterschriften in Straßburg abgeliefert und will nun auf die nationalen und regionalen Parlamente Druck machen. Bis alle Kammern dem Abkommen zugestimmt haben, dürften noch Jahre vergehen.

In den Niederlanden könnte es sogar eine Volksabstimmung geben. Die Niederländer haben bereits mehrfach gegen EU-Abkommen gestimmt, zuletzt gegen die Assoziierung mit der Ukraine. Auch in Belgien zeichnen sich Probleme ab. So bekräftigte der Präsident der Region Wallonien, Paul Magnette, seine Bedenken gegen Ceta. Wenn sie nicht ausgeräumt werden, will er das Abkommen zu Fall bringen.

15 Feb 2017

AUTOREN

Eric Bonse
Linda Gerner

TAGS

CETA
EU-Parlament
Europäisches Parlament
Freihandel
Straßburg
CETA
CETA
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Freihandel
Polen
Lesestück Recherche und Reportage
CETA
CETA
Freihandelsabkommen

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Inkrafttreten von Ceta: Bitte weiter demonstrieren

Aktivisten dürfen sich auf die Schulter klopfen. Sie haben Ceta von Schädlichem entkernt. Doch der Pakt enthält immer noch Hochproblematisches.

Aktivistin zum Inkrafttreten von Ceta: „Investoren werden bevorzugt“

Riesendemos gegen das Ceta-Abkommen gibt es in diesem Herbst zwar nicht mehr. Aber der Widerstand lebt, sagt die Aktivistin Pia Eberhardt aus Brüssel.

Freihandelsprotest und Konzerne: Kampagne gegen TTIP-Kritiker

„Angstmacherei“ und „Antiamerikanismus“: Laut einer Studie versuchten Thinktanks und Lobbyisten, Protestler zu diffamieren.

NGO-Chef über Freihandelsabkommen: „Martin Schulz sagt keinen Ton“

Die Proteste gegen die Freihandelsabkommen werden weitergehen, sagt Jürgen Maier. Er ist Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung.

Alternative zum Freihandelsvertrag TPP: Dann halt doch mit China

Nachdem Donald Trump das transpazifische Freihandelsabkommen abgesagt hat, suchen die Pazifikanrainer nach einer Alternative.

Streit um Polens Verfassungsgericht: Beißhemmungen gegen die PiS

Die polnische Regierung will bei der Besetzung des Verfassungsgerichts nicht einlenken. Die EU ist machtlos, die Mitgliedsstaaten scheuen den Streit.

FAQ zum Freihandelsabkommen Ceta: Trojanisches Pferd mit Sirup

Das EU-Parlament winkt am Mittwoch Ceta durch. Was heißt das für Trump, die Bourgeoisie und Ahornsirup?

Kommentar Freihandelsabkommen Ceta: Rote Linie gegen den Wahnsinn

Ceta ist Mist. Aber immerhin ein Mist, mit dem man zur Verteidigung von Grundprinzipien zur Not Washington bewerfen kann.

Debatte Trump und Proteste gegen Ceta: Feuer mit Öl löschen

Aus Panik vor Trump auf neoliberale Handelspolitik zu setzen, ist falsch. Wo Demokratie und Gerechtigkeit leiden, werden Populisten stark.

Freihandel mit Kanada: Die SPD hat wieder ein Ceta-Problem

Die Sozialdemokraten haben Bedingungen definiert, um dem EU-Kanada-Abkommen zuzustimmen. Die sind aber immer noch nicht erfüllt.