taz.de -- Betriebswirtin über Share Economy: „Junge Pflanze nicht zertreten“

Die neuen Arbeitsformen von Uber, Airbnb, Foodora oder Deliveroo sind nicht nur schlecht, sagt Betriebswirtin Nora Stampfl.
Bild: „Keine Touristenapartments“ steht auf dem Banner in Barcelona als Protest gegen Sharing-Vermieter

taz: Frau Stampfl, Sie haben den Begriff „Uberisierung“ geprägt. Er leitet sich ab vom US-Taxi-Dienst Uber. Was unterscheidet die Arbeit seiner Fahrer von der normaler Beschäftigter?

Nora Stampfl: Sie arbeiten offiziell selbstständig, fahren auf Abruf. Ihr Arbeitstag ist oft sehr zerstückelt. Der nächste Auftrag kann schnell kommen oder lange auf sich warten lassen. Sie können sich nicht darauf verlassen, regelmäßig und ausreichend zu verdienen. Ihr Einkommen schwankt häufig stark. Um die Sozialversicherung müssen sich diese Mikro-Unternehmer selbst kümmern, die Arbeitnehmerrechte Festangestellter fehlen ihnen.

Ist das eine Warnung vor diesen neuen Arbeitsformen?

Zunächst geht es mir um die Analyse, was da eigentlich passiert. Firmen wie Uber agieren nicht als Arbeitgeber, sondern als Plattformen. Sie vermitteln Dienste zwischen den Anbietern – den Fahrern – und den Kunden. Dafür verlangen sie einen Teil des Umsatzes als Gebühr. Im Gegensatz zu konventionellen Arbeitsverträgen können die Plattformen ihre Beschäftigungsbedingungen einfach ändern. Sie schmeißen Fahrer kurzfristig raus, wenn die Passagiere sie zu schlecht bewerten. So spüren solche modernen Dienstleister einen höheren Druck als Angestellte in festen Tätigkeiten. Trotzdem ist das nur die halbe Wahrheit.

Was ist das Positive?

Viele Uber-Fahrer oder auch Mieter, die ihre Wohnung über die Vermittlungsseite Airbnb an Touristen vermieten, erwirtschaften ein zusätzliches Einkommen. Es handelt sich um Nebenjobs. Sie sind nicht ausschließlich darauf angewiesen. Das belegen Untersuchungen aus den USA. Denken Sie an Lieferdienste wie Foodora und Deliveroo, die den Leuten das Abendessen nach Hause bringen: Für diese Firmen fahren oft Studenten, die sich ein größeres Taschengeld dazuverdienen. Die Tätigkeiten sind flexibel, lassen sich in den Alltag einpassen, ermöglichen also zusätzliche Freiheitsgrade.

Kreative haben die Künstlersozialkasse, die der Staat bezuschusst. Wäre das ein Modell?

In diese Richtung könnte man überlegen. Beispielsweise könnte jede Transaktion mit einer Zahlung in einen Sozialfonds verbunden sein, der den Plattformarbeitern zugutekommt. Wir sollten aber vorsichtig sein bei der Regulierung: Schließlich bieten die neuen Branchen Innovationen, Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten, die es früher nicht gab. Man soll die junge Pflanze nicht zertreten.

16 Feb 2017

AUTOREN

Hannes Koch

TAGS

Share Economy
Uber
Airbnb
Foodora
Deliveroo
Foodora
Arbeit
Uber
Sharing Economy
Airbnb
Share Economy
Ressourcen
Auto-Branche
Uber

ARTIKEL ZUM THEMA

Arbeitsbedingungen bei Foodora und Co: Die Revolte der neuen Dienstboten

FahrerInnen unter Druck, Profite streichen andere ein. Es regt sich Widerstand gegen die Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten wie Foodora.

Entlohnung von Essenskurieren: Arbeit auf Abruf

Das Risiko werde vom Unternehmen auf die Fahrer verlagert, sagen Kritiker. Nun fordern Essenskuriere in Deutschland faire Löhne.

Interne Ermittlungen bei Uber: 20 Mitarbeiter gefeuert

Uber reagiert auf die Vorwürfe wegen Diskriminierung, Belästigung, Sexismus und Mobbing. Mitarbeiter werden entlassen, abgemahnt und in Schulungen geschickt.

Kommentar Sharing Economy: Das neue Greenwashing

Gerne schreiben Unternehmen sich das Label „Sharing“ auf die Fahne. Doch nicht immer ist Teilen ressourcenschonender.

Symposium zur Share Economy: Vom Kapitalismus des Teilens

Liebe oder Ökonomie – überall geht es ums Tauschen und Teilen. 300 Teilnehmer diskutieren in Weimar über unsere Zukunft im kognitiven Kapitalismus.

Unterwegs als Kurierfahrer bei „Foodora“: Radeln against the Machine

Zwei Monate hat sich unser Autor als Fahrradkurier in der Share Economy verdingt. Er lernte, wie man einen Algorithmus austrickst.

Abfall vermeiden: „Stoffrecycling ist nicht die Lösung“

Natürliche Ressourcen müssen besser genutzt werden. Neue Technologien könnten der Kreislaufwirtschaft zu neuer Blüte verhelfen.

Unterwegs im Leihauto: Volkes Wagen

Carsharing wächst und wächst. Aber muss es gleich die Welt retten? Es reicht schon, wenn wir alle vor dem Einsteigen auch mal das Hirn anschalten.

Protest gegen Uber: Der Kampf der Fahrer

Taxifahrer aus halb Europa blockieren die Brüsseler Innenstadt. Sie demonstrieren gegen Uber, doch die Firma investiert längst woanders.