taz.de -- Berliner Parlament: Der Fall Amri und kein Ende

Im Berliner Parlament gibt es wohl keine Mehrheit für einen Untersuchungsausschuss. Dabei ist bisher wenig über den Aufenthalt des Attentäters in Berlin bekannt.
Bild: Der Tatort: Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016

Den von der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus geforderten Untersuchungsausschuss zum Attentat am Breitscheidplatz wird es nicht geben. Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux sprach zwar am Donnerstag von einem „limitierten Ja“ der Koalitionsfraktionen zu dem Vorstoß. Doch die Zurückhaltung seiner Fraktion wie auch die von Linken und CDU lassen keine Zustimmung erwarten, wenn das Parlament nach Beratung in zwei Ausschüssen über den U-Ausschuss letztlich abstimmt.

Nach den Regeln des Abgeordnetenhauses können 25 Prozent seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss erzwingen: Das sind derzeit 40 von insgesamt 160. Allein mit der AfD-Fraktion, die ihre Unterstützung ankündigte, kommt die FDP-Fraktion aber nur auf 36 Stimmen.

CDU-Mann Burkard Dregger sah derzeit schlicht keine Notwendigkeit: Die Aufarbeitung im Innenausschuss habe schon begonnen, der Informationsfluss seitens der Behörde von Innensenator Andreas Geisel (SPD) sei „sehr positiv“.

Bei dem Terroranschlag am 19. Dezember auf dem Breitscheidplatz waren 12 Menschen getötet worden. Das Landeskriminalamt (LKA) erstellt zurzeit ein Bewegungsprofil von Anis Amri. Man will herauszufinden, wo sich der Attentäter in Berlin aufgehalten und mit wem er Kontakt hatte. Beamte sichten Videomaterial im dreistelligen Terrabytebereich.

Eine zentrale Rolle kommt dabei einer Überwachungskamera vor der Fussilet-Moschee in der Perleberger Straße in Moabit zu. Schon seit Jahren gilt die als Treffpunkt der gewaltbereiten Islamistenszene. Seit November wurde Amri mehrfach beim Betreten und Verlassen der Räume gefilmt. Auch eine Stunde vor dem Anschlag war er dort.

Laut dem ARD-Politikmagazin „Kontraste“ hat er in der Moschee sogar gewohnt. Deren Beleg: Das im polizeilichen Informationssystem Inpol eingestellte Personagramm zu Amri weise mit Datum vom 14. 12. 2016 die Moschee „als Wohnort/Aufenthaltsort“ von Amri aus, so „Kontraste“ am Donnerstag in einer Mitteilung.

Nach dem Innenausschuss beschäftigte sich am Mittwoch erstmals der Rechtsausschuss mit dem Fall Amri – ohne dass dabei der Generalstaatsanwalt Ralf Rother wesentliche neue Erkenntnise vortragen konnte. Nach wie vor sind die Dunkelstellen in Amris Bewegungsprofil ungleich größer als die Hellstellen.

Bekannt ist: Der in Nordrhein-Westfalen (NRW) als Asylbewerber registrierte Tunesier hielt sich seit Frühjahr 2016 verstärkt in Berlin auf. Am 10. März hat ihn das LKA Berlin – wie zuvor schon das LKA in NRW – als islamistischen Gefährder eingestuft. Am 22. März wurde gegen Amri ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung zum Mord eingeleitet. Grund dafür sollen Hinweise gewesen sein, dass Amri versuchte, an Waffen zu kommen, um einen Anschlag zu verüben.

Vom 5. April bis zum 21. September wurde Amris Telefon abgehört. Die Maßnahme wurde aufgehoben, weil Amri anscheinend keine Anschlagspläne verfolgte. Außerdem habe Amri nicht mehr ins Raster der Behörden von einem gewaltbereiten Salafisten gepasst, so Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag: „Er war ein Drogendealer, nahm selbst Drogen und hielt den Ramadan nicht ein.“

Rother sagte am Mittwoch, Amris Handy sei oft an der Warschauer Brücke lokalisiert worden. Medienberichten zufolge soll Amri sich in einem abgehörten Telefonat im Sommer 2016 einem Gesprächspartner gegenüber dazu bekannt haben, mit einem Fließengummihammer auf einen konkurrierenden Dealer losgegangen zu sein.

Eine Inhaftierung wäre damals nicht verhältnismäßig gewesen, so Rother. Innensenator Geisel hatte es im Innenausschuss so ausgedrückt: Heute wisse man, dass es eine Fehleinschätzung war, Amri nicht weiter zu überwachen. „Aber in weniger aufgeregten Zeiten würde man das als Rechtsstaatlichkeit bezeichnen“.

26 Jan 2017

AUTOREN

Plutonia Plarre
Stefan Alberti

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