taz.de -- Wie ein Landesverband sich zerlegt: Rechter, als die AfD erlaubt

Der niedersächsische AfD-Vorstand hat den Parteitag abgesagt, um die eigene Abwahl zu verhindern. Interne Schreiben offenbaren die Zerrissenheit.
Bild: Abgrenzung nach Rechts gilt vor allem für andere: AfD-Landeschef Armin Paul Hampel

HANNOVER taz | Die Einladungen sind raus, die Tagesordnung verschickt. Am 4. Februar will die AfD Niedersachsen in Hannover ihre Landesliste zur Bundestagswahl wählen. Im Bürgerhaus Misburg soll um 10.30 Uhr die Aufstellungsversammlung beginnen. Und eigentlich sollte vorher noch ein Parteitag stattfinden. Vor zwei Wochen hatten elf AfD-Kreisverbände dazu den Antrag gestellt. Der Landesvorstand gab dem statt.

Mittlerweile sind aber zwei Kreisverbände wieder abgesprungen. Der Landesvorsitzende Armin Paul Hampel sagte dazu am Donnerstag: „Die Satzung fordert, dass mindestens zehn Kreisverbände so einen Parteitag beantragen müssen. Diese Zahl ist nicht zustande gekommen.“ Der Parteitag wurde abgeblasen.

Hampels parteiinterne Gegner beharren auf dem Parteitag. „Was einmal beschlossen wurde, kann man nicht einfach wieder rückgängig machen“, sagte ein Kreisvorsitzender, der nicht namentlich genannt werden will. Mehrere Parteimitglieder hätten zur Klärung dieser Frage das Landesschiedsgericht angerufen.

Die Hampel-Kritiker vermuten, dass hinter der Absage des Parteitags die Angst des Vorstandes vor einer Abrechnung steht. Denn drei Kreisvorstände hatten einen Abwahlantrag gegen Hampel und mehrere Vorstandsmitglieder gestellt. Sie wollten auf diese Weise dem umstritten Landesvorsitzenden und seinen Mitstreitern den Weg zur Bundestags-Kandidatur verbauen.

Seit Monaten bestimmen interne Streitereien den Landesverband. Interne E-Mails und Schreiben, die der taz vorliegen, offenbaren eine tiefe Zerrüttung. In einer E-Mail vom 12. Januar beschwert sich der Kreisverband Göttingen über „Strafaktionen“ gegen „aufständische Kreisverbände“, mit der Landeschef Hampel eine „absolute Grenze überschritten“ habe.

Einen Tag zuvor hatte Hampel dem Kreisverband mitgeteilt, auf der „letzten Präsenzsitzung“ sei beschlossen worden, dass die Göttinger keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen dürfen. Denn dem Landesvorstand lägen „Informationen über mögliche Einwirkungsversuche rechtsextremer Kräfte“ auf den Kreisverband und die Fraktion im Kreistag vor.

Die Göttinger Kreisvorsitzende Dana Guth wirft Hampel nun vor, den „gesamten Kreisverband Göttingen als Hort rechter Kräfte zu diffamieren“. Diese Kampagne enthalte „neben dem persönlichen Angriff existenziell bedrohende Elemente gegen alle Mitglieder unseres Kreisverbandes“. Rechtsextremismus-Anwürfe aus den eigenen Reihen könnten einen „irreparablen Schaden für alle selbstständigen und angestellten AfD-Mitstreiter unseres KV bedeuten“, warnt sie.

Hampels „Probleme mit dem rechten Rand“

Sie hält dagegen Hampel selbst vor, „große Probleme mit einer Abgrenzung vom rechten Rand“ zu haben. Das habe sein Auftritt im November „als prominenter Redner beim Arbeitskreis für deutsche Politik e.V.“ in Hollenstedt gezeigt. Wes Geistes Kind dieser Verein ist, könne man seit Jahren im Verfassungsschutzbericht nachlesen.

Guth wirft Hampel vor: „Ihr Vorgehen ist ein weiterer Beleg für Ihr vollständiges führungstechnisches Versagen. Zur Durchsetzung Ihrer persönlichen Agenda sind Sie bereit, den Landesverband Niedersachsen oder auch einzelne Untergliederungen zu spalten und schrecken ebenfalls nicht vor der existenziellen Vernichtung Einzelner zurück.“ Der Kreisverband habe daher beschlossen, einen Abwahlantrag gegen den Landesvorsitzenden und weitere Landesvorstandsmitglieder zu stellen.

Dem ehemaligen Kreisvorsitzenden aus Ostfriesland Holger Pieters wirft der Landesvorstand in einer E-Mail „parteischädigendes Verhalten“ vor. Pieters plane doch tatsächlich, „gegen unsere Landesvorsitzenden“ zu kandidieren. Pieters konterte jetzt: „Die AfD Niedersachsen ist mittlerweile ein Scherbenhaufen. Hampel und der Landesvorstand sind politisch am Ende.“

26 Jan 2017

AUTOREN

Andreas Speit

TAGS

Armin-Paul Hampel
AfD Niedersachsen
Hannover
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Landtagswahlen
Armin-Paul Hampel
AfD Niedersachsen
AfD Niedersachsen
AfD Niedersachsen
AfD Niedersachsen
AfD Niedersachsen
Schwerpunkt AfD

ARTIKEL ZUM THEMA

Die Niedersachsenwahl und die AfD: Obergrenze für Rechtspopulisten

Die Rechtspopulisten ziehen ins 14. Landesparlament, mit schlechtem Ergebnis. Im Wahlkampf machten sie Schlagzeilen mit internen Streits.

Ermittlungen wegen Betrugsverdachts: Razzia bei AfD-Landeschef Hampel

Die Polizei durchsucht Wohn- und Büroräume des niedersächsischen AfD-Vorsitzenden. Er soll Mittel der Partei privat verwendet haben.

AfD im Internet: Im „Krieg gegen das System“

Ein Facebook-Post der AfD Salzgitter offenbart deren Verfassungsfeindschaft: Man sei im „Krieg gegen das widerwärtigste System“. Der Post wurde zügig gelöscht.

Listenaufstellung zur Bundestagswahl: Fälschungen auf AfD-Website

Niedersachsens AfD hat die Liste für die Bundestagswahl laut Landeswahlleitung nicht eingereicht. Die Partei fühlt sich betrogen, es tauchen „Beweise“ auf.

AfD-Homepage gekapert: AfD-Ostfriesland in Feindeshänden

Der Herausgeber einer Philosophie-Zeitschrift in Norden hat die Homepage des Afd-Kreisverbands Ostfriesland gekapert und heißt dort nun Geflüchtete willkommen

Schulterschluss mit fragwürdigem Verein: Nichts gemerkt

Niedersachsens AfD-Chef Armin Paul Hampel tra bei einem Verein auf, der sonst nur Rechtsextreme auf die Bühne holt. Hampel will das nicht gewusst haben

Machtkampf in Niedersachsens AfD: Missglückter Putsch von oben

Bei einem Geheimparteitag in Hannover scheitert AfD-Landeschef Hampel mit der Entmachtung der Basis – und droht mit Rücktritt.

Ex-Journalist bei der AfD: Der Heimatlose

Als ARD-Korrespondent berichtete er aus vielen Ländern. Heute steuert Armin-Paul Hampel in der Alternative für Deutschland seine zweite Karriere an.