taz.de -- Hamburger Bezirke kämpfen gegen Spakulanten: „Jede einzelne Wohnung zählt“
Der Bezirk Altona fordert seine Bewohner auf, leer stehende Wohnungen zu melden, um Spekulationen mit Wohnraum einen Riegel vorzuschieben.
Hamburg taz | Beim Thema Wohnungsleerstand ist Lorenz Flemming leicht erregbar. „Bürgerlicher Populismus“, pöbelt der Altonaer FDP-Fraktionschef, sei es, dass das Bezirksamt nun vier Stunden pro Woche eine Telefonhotline freischalte, auf der die Bewohner des Bezirks leer stehende Wohnungen melden könnten. Hier bekämpfe man ein Problem, „das gar nicht existiert“, schimpft Flemming und verweist auf die Antwort auf eine FDP-Anfrage.
Demnach registrierte der Bezirk in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 340 zeitweise leer stehende Wohnungen – bei einem Bestand von insgesamt rund 50.000 Wohnungen im Bezirk. Das sei eine „extrem kleine Leerstandsquote“, poltert Flemming. Das Personal, das mit der Verfolgung des Leerstands betraut werde, könne „weit besser für die schnellere Auszahlung des Kindergeldes“ verwendet werden. Flemming kann zudem darauf verweisen, dass sich bei Weitem nicht hinter jedem Leerstand spekulative Absichten verbergen. Oft sind die Wohnungen unbewohnt, weil sie saniert werden.
Trotzdem forderten SPD und Grüne das Bezirksamt vorigen November auf, „eine Hotline für die Meldung leer stehenden Wohnraums“ einzurichten. „Es ist nicht akzeptabel, dass viele Menschen Wohnungen suchen, während andererseits Wohnungen leer stehen – jede Wohnung zählt“, lautete die Begründung.
„Zurzeit verfolgen wir knapp 90 Fälle wegen des Verdachts auf Leerstand“, berichtet Martin Roehl, der Sprecher des Bezirksamts Altona. Sollte sich erweisen, dass die Wohnungen ohne triftigen Grund seit Monaten unvermietet sind, erlässt das Bezirksamt ein gebührenpflichtiges Nutzungsgebot oder spricht Zwangs- und Bußgelder aus. Sollte sich der Vermieter auch danach als renitent erweisen, würde das Bezirksamt ihm sogar zeitweise die Verfügungsberechtigung über sein Eigentum entziehen und über einen amtlich eingesetzten Treuhänder vermieten. „So einen Fall hatten wir aber bislang noch nicht“, sagt Roehl.
Einen „solchen Fall“ gab es bislang nur im Bezirk Mitte, wo die amtlichen Wohnraumschützer seit eineinhalb Monaten versuchen, einen geeigneten Treuhänder für ein Haus mit sechs leer stehenden Wohnungen in der in Hamm gelegenen Ohlendorffstraße zu finden. „Das Verfahren läuft, aber es gibt juristische Feinheiten zu beachten“, sagt der Sprecher des zuständigen Bezirksamts, Norman Cordes. Denn bei dem Verfügungsentzug handelt es sich um „ein Pilotprojekt“, wie Cordes betont.
Noch niemals zuvor gab es in Hamburg eine solche Maßnahme, die seit 2013 gesetzlich möglich ist. Deshalb sind die zuständigen Mitarbeiter des Bezirks angewiesen, bei jedem Schritt genau zu prüfen, ob dieser auch juristisch wasserdicht ist.
FDP-Flemming ficht das alles nicht an. Der Abgeordnete hält solche Maßnahmen nur für ein „Halali auf die Vermieter“. Der Altonaer Initiative begegnet er mit Spott: „Es gibt zwar keinen Leerstand im Bezirk, aber SPD, CDU und Grüne verfolgen ihn unerbittlich!“
4 Jan 2017
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