taz.de -- Weihnachten in Brandenburg: Hü, hü, hü!

Eigentlich müsste der Weihnachtsmann ja jetzt am Nordpol weilen. Aber für das brandenburgische Dorf Himmelpfort macht er eine Ausnahme.
Bild: Er kommt auf dem E-Bike: Der Weihnachtsmann in Himmelpfort

Und irgendwann ist es dann wie so oft bei diesen Ausflügen in die nördliche Uckermark. Die Straßen werden enger, die Autos rarer. Links grasen ein paar graubraune Schafe in graubrauner Landschaft, rechts übt ein Fahrschüler auf einem Feldweg Einparken. Wäre jetzt noch die Zeit, als die Menschen glaubten, die Erde sei eine Scheibe, man bekäme es fast mit der Angst zu tun.

Das Dorf Himmelpfort, das etwa 30 Kilometer östlich von Rheinsberg und 30 Kilometer westlich von Templin überaus idyllisch auf einer Art Insel zwischen fünf Seen liegt, kann mit seinen 481 Einwohnern und seinen saisonbedingt verrammelten Gasthäusern als durchaus verschlafenes Nest durchgehen. Und so wirkt es ziemlich skurril, dass an diesem verregneten Tag so viele Autos mit Berliner und gar Hamburger Kennzeichen auf der Suche nach einem Parkplatz übers Kopfsteinpflaster holpern. Sie wirken im wahrsten Sinne des Wortes wie vom Himmel gefallen.

Denn heute, so heißt es, kommt hier der Weihnachtsmann. In Himmelpfort befindet sich eines von neun Weihnachtspostämtern der Deutschen Post in diesem Land, das heute eröffnet wird. Während etwa in St. Nikolaus im Saarland 19.000 und in Engelskirchen bei Bonn etwa 140.000 eintrudeln, werden in Himmelpfort jährlich über 300.000 Briefe von Kindern aus über 70 Ländern mit meist überaus bunt und liebevoll gestalteten Wunschzetteln beantwortet.

Bis jetzt sind es 14.708, so die Deutsche Post – Grund genug, dass wie jedes Jahr der Weihnachtsmann nach Himmelpfort kommt, der von nun an und bis kurz vor Weihnachten sämtliche Briefe beantworten wird: Unterstützt von 20 Helferinnen, die jeden einzelnen der Briefe öffnen und lesen – und dann standardisierte Antwortbriefe adressieren.

„Ho, ho, ho“, macht der Weihnachtsmann mit seinem standesgemäß weißen Bart. Was übrigens, wie kürzlich ein geschätzter Kollege recherchierte, kein Lachen darstellt, sondern das englische Pendant zum Fuhrkommando „hü“ sein soll – also dem Geräusch, das der gute Mann machen muss, um die Rentiere anzutreiben. Eine Schulklasse aus dem benachbarten Bredereiche singt brav drei Weihnachtslieder von der ersten bis zur letzten Strophe, und eine extra angereiste Moderatorin vom RBB erzählt mit versteinertem Lächeln etwas vom Regen, der ja bekanntlich in gefrorener Form viel netter sei.

Verzweifeltes Promotiontool

Gegenüber stehen nackte Schaufensterpuppen in einem Laden mit der Aufschrift „Boutique“. Nebenan ist der Rest des so genannten Brauhauses mit Baugittern abgesperrt, das zu einem im 14. Jahrhundert erbauten Kloster gehörte. Dieses Kloster, so die Recherche, war zur Grabstätte – quasi als Pforte in den Himmel – für Markgraf Albrecht III bestimmt. Daher kommt dann auch der symbolträchtige Name des Örtchens.

Aber zurück zum Weihnachtspostamt. In Himmelpfort gibt es dieses seit 1984. Damals schickten zwei Kinder aus Berlin und Sachsen nach einem Ferienaufenthalt ihre Wunschzettel in den Ort mit dem hübschen Namen. Es passte gut in die 90er Jahre, den Beginn des digitalen Zeitalters, dass sich die Post engagierte und erstmals 1995 Mitarbeiter speziell für die Beantwortung dieser Briefe einstellte – wie als verzweifeltes Promotionstool, um etwas gegen den Niedergang der Briefkultur zu tun.

Dumm nur, dass das nicht klappte und gerade in letzter Zeit die Weihnachtspostämter unter Druck geraten sind. Die Post schließt zunehmend ihre Niederlassungen in kleineren Orten. So wurde auch das Postamt in Himmelpfort bereits 2005 dicht gemacht. Seitdem macht es nur zu Weihnachten als so genannte „Schreibstube“ wieder auf und die Briefe werden täglich von der benachbarten Niederlassung in Henningsdorf abgeholt.

Schön und gut, wenn Kinder Briefe schreiben und sogar auch noch für ihre Mühen belohnt werden. Nur deshalb gleich den Weihnachtsmann in die Uckermark schicken, der doch um diesen Dreh eigentlich am Nordpol weilen müsste? Und überhaupt: Ist Himmelpfort nicht eher ein Fall für den Sommer? Im Sommer nämlich müssten man hier nicht im Regen stehen. Man könnte in einen der fünf Seen hüpfen.

20 Nov 2016

AUTOREN

Susanne Messmer

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