taz.de -- Pariser Abkommen zum Klimaschutz: Das große Versprechen

Das Pariser Abkommen zum weltweiten Klimaschutz tritt endlich in Kraft. Die wichtigsten Punkte und was Sie sonst darüber noch wissen müssen.
Bild: Das Abkommen könnte den Klimawandel deutlich unter zwei Grad oder sogar bei 1,5 Grad begrenzen

Berlin taz | Über Jahrzehnte ging nichts voran, zum Schluss kam es dann holterdipolter: In einem einzigartigen Wettlauf mit der Zeit haben die UN-Staaten in den vergangenen Wochen und Monaten das Pariser Abkommen zum Klimaschutz in Rekordzeit verhandelt, unterzeichnet und ratifiziert.

92 Länder, die insgesamt 66 Prozent der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen verursachen, haben den großen Klimavertrag bisher abgesegnet. Deshalb tritt er nun am 4. November in Kraft. Das Versprechen der 31 Seiten von Paris könnte größer kaum sein: Die Rettung der Welt vor Armut und Klimakollaps.

Die Eile war nötig. Nicht nur, weil in den USA der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump angedroht hat, im Falle seiner Wahl aus dem Klimaschutz auszusteigen – ein Präsident Trump könnte wie jedes andere Land mit einer Frist von vier Jahren das Abkommen wieder verlassen.

Die Zeit drängt auch aus anderen Gründen: 2016 setzten sich die globalen Rekordtemperaturen fort, die Eisdecken schmelzen mit alarmierender Geschwindigkeit, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat nun endgültig und für Jahrhunderte unwiderruflich die symbolische Grenze von 400 ppm (Teile pro Million) überschritten. Der Klimawandel ist da und geht nicht mehr weg. Die Menschen richten sich besser auf ihn ein.

Sehr ehrgeizige Ziele

Da ist das Pariser Abkommen eine gute Grundlage. Der Vertrag, um den Tausende Beamte und Lobbyisten jahrelang auf unzähligen Treffen gekämpft hatten, geriet im Dezember 2015 zu einer Sternstunde der französischen Diplomatie. Das Papier schaffte das schier Unmögliche: Es formuliert sehr ehrgeizige Ziele – den Klimawandel deutlich unter zwei Grad oder sogar bei 1,5 Grad zu stoppen, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas für die gesamte Weltwirtschaft zu organisieren, den armen Ländern Entwicklungschancen zu geben und Hilfen bei der Bewältigung der Klimakrisen zu geben.

Der Vertrag balanciert die Interessen der Industriestaaten gegen die Bedürfnisse der Entwicklungsländer aus, er nimmt aufstrebende Mächte wie China, Indien, Indonesien, Südafrika oder Brasilien in die Pflicht, ohne die Verursacher des Problems, Europa, die USA und Japan, vom Haken zu lassen. Er bietet jedem Land ein paar Vorteile und eine Menge Zumutungen.

Dafür zahlt das Abkommen einen hohen Preis. Anders als der gescheiterte Vertragsentwurf der Klimakonferenz von Kopenhagen 2009 beruht Paris auf Freiwilligkeit: Die Länder verpflichten sich, nationale Klimapläne vorzulegen – mehr nicht. Was in diesen Papieren steht, ob und wie es umgesetzt wird, dafür gibt es im Vertrag keine Sanktionen – und so sehen die Pläne auch aus. Selbst wenn alles getan wird, was bislang angekündigt ist, taumelt die Welt in eine mehr als 3 Grad heißere Zukunft.

Die Unterzeichner des Abkommens verlassen sich auf die Kraft des Beispiels, auf den Gruppendruck der Weltgemeinschaft und die Hoffnung, dass kein Land auf Dauer dem Weltmarkt der sauberen Wirtschaft fernbleiben kann.

Überlebenswichtige Details im Kleingedruckten

Der Plan zur Rettung der Welt hat auch riesige Schlupflöcher und Fragezeichen: Die Ziele von 2 beziehungsweise 1,5 Grad sind nur mit äußerster Anstrengung zu erreichen; bisher ist unklar, woher genau die Milliarden von Hilfsgeldern kommen und – wichtiger noch – wie sie eigentlich am sinnvollsten investiert werden sollen.

Die armen Länder werden eingebunden, aber ihre Zukunft bleibt im Klimawandel weiterhin sehr prekär. Auch die beste Versicherung gegen Sturmschäden ist schlechter als ein Leben ohne Überflutungen und Stürme. Und unsicher ist auch, ab wann sich die Schwellenländer nicht mehr als Opfer von Kolonialismus und Kapitalismus verstehen, sondern ihre eigene Entwicklung auf einen grünen Pfad umlenken.

Alle diese überlebenswichtigen Details im Kleingedruckten, die über Erfolg oder Scheitern des Abkommens befinden, werden in den nächsten Jahren auf offener Bühne und in Hinterzimmern verhandelt werden. Private und staatliche Investoren bekommen ein klares Signal: Wer sein Geld in den nächsten Jahren in Kraftwerke, Motoren, Städtebau oder Industrieanlagen steckt, der weiß seit Paris, was ihn erwartet, und muss sich vor seinen Geldgebern rechtfertigen: Für die fossilen Brennstoffe wird es eng werden, erneuerbare Energie wird dagegen immer billiger.

Das Pariser Abkommen steht am Ende eines qualvoll langen Weges zur Einsicht in die Realität. Der Vertrag ist ein großes Versprechen, die Zukunft zu sichern. Das kann funktionieren. Das muss funktionieren.

4 Nov 2016

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Pariser Abkommen
Schwerpunkt Klimawandel
Klima
Pariser Abkommen

ARTIKEL ZUM THEMA

Kampf gegen Erderwärmung: Weg frei für zwei Grad weniger

Das ging aber schnell: Knapp ein Jahr nach der Konferenz von Paris kann das Weltklimaabkommen nun in Kraft treten.

Einigung zum Klimaschutz-Abkommen: Europa vermeidet die Blamage

Die EU hat sich auf Schnellverfahren bei Ratifizierung des Abkommens von Paris geeinigt. Nun wird es wohl bereits im November in Kraft treten.