taz.de -- Folgen der Mindestlohneinführung: Soziale Nullnummer

Die Einführung des Mindestlohns hat weder die Armut gesenkt noch die Lohnungleichheit verringert. Experten bezweifeln, dass es an mangelnder Kontrolle liegt.
Bild: Betteln gehen muss man wegen Mindestlohns vielleicht nicht, aber arm bleibt man trotzdem

Hamburg epd | Der im Januar 2015 eingeführte flächendeckende Mindestlohn hat nach einem Bericht der Wochenzeitung Die Zeit bisher weder die Armut gesenkt, noch die Ungleichheit der Einkommen in Deutschland verringert. Die Zeitung beruft sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Demnach galten vor Einführung des Mindestlohns 15,4 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet, danach 15,7 Prozent. Selbst wenn man die Flüchtlinge beiseitelasse und nur die Einwohner ohne Migrationshintergrund betrachte, seien nach Inkrafttreten des Mindestlohns ebenso viele Bürger arm gewesen wie davor.

Die statistisch gemessene Ungleichheit der Einkommensverteilung sei ebenfalls unverändert geblieben. Sogar die Zahl der Arbeitnehmer, die ergänzend zu ihrem Lohn Hartz IV beziehen, hat sich dem Bericht zufolge nur geringfügig verändert: Im Jahr 2014 habe es 1,18 Millionen Aufstocker gegeben, im vergangenen Jahr waren es 1,13 Millionen.

Trotz dieser Ergebnisse rät Joachim Möller, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, laut Die Zeit davon ab, ihn kräftig anzuheben. „Wenn man den Mindestlohn deutlich erhöht, ist zu befürchten, dass dann doch Arbeitsplätze verloren gehen“, sagte er der Wochenzeitung.

Dass der Mindestlohn nur deshalb wenig Effekt zeigt, weil er zu wenig kontrolliert wird, bezweifelt Möller. Die Löhne im unteren Bereich seien nachweisbar gestiegen. Außerdem: „Aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern ist anzunehmen, dass der Mindestlohn nicht in großem Maßstab umgangen wird.“

5 Oct 2016

TAGS

Mindestlohn
Schwerpunkt Armut
Mindestlohn
Mindestlohn
Migration
Jobcenter
Prekäre Arbeit
Integrationsgesetz
Mindestlohn

ARTIKEL ZUM THEMA

Lohnungleichheit in Deutschland: Armer Osten, reicher Westen

Beim Lohn ist die Republik noch immer geteilt, der ehemalige Osten deutlich ärmer. Uneinigkeit herrscht darüber, was helfen könnte.

Ausgehebelter Mindestlohn: Kreative Lohngestaltung

Viele Minijobber bekommen keinen Mindestlohn, sagt eine Studie. In Kneipen und im Handel wird oft die wirkliche Arbeitszeit nicht dokumentiert.

Mindestlohn für Zuwanderer: Regierung berät über Ausnahmen

Die „SZ“ berichtet von einem Diskussionspapier mehrerer Ministerien. Nachqualifizierungen, wie etwa Praktika, sollen unter dem Mindestlohn vergütet werden.

Jobcenter Bremen schickt Geld zurück: Wenn das Geld im Topf bleibt

Förderung in zweistelliger Millionenhöhe lassen die Jobcenter der Arbeitslosigkeitshochburgen Bremen und Bremerhaven 2016 laut Prognose liegen.

taz-Serie Abgeordnetenhaus-Wahl (1): Arbeit? Welche Arbeit?

Alle reden vom „Jobwunder“ in Berlin – doch ein Gutteil der Bevölkerung bekommt vom neuen Aufschwung nichts mit oder arbeitet höchst prekär.

Gewerkschafterin über Flüchtlingsjobs: „Konkurrenz am Arbeitsmarkt“

Das neue Integrationsgesetz schafft 1-Euro-Jobs für Geflüchtete. Annelie Buntenbach über den Sinn des Programms und die Verantwortung der Unternehmen.

Mindestlohn steigt auf 8,84 Euro: Ein Sesambrötchen mehr

Anfang 2017 werden die niedrigsten Stundenlöhne in Deutschland um 34 Cent angehoben. So hat es am Dienstag die Mindestlohnkommission festgelegt.