taz.de -- Angriff in Afghanistan: Taliban haben Kundus umzingelt
Die Taliban haben erneut einen Angriff auf Kundus gestartet. Sicherheitskräfte liefern sich heftige Gefechte mit den Islamisten.
Kundus afp | Ein Jahr nach ihrer Blitzoffensive auf die nordafghanische Stadt Kundus haben die Taliban erneut einen Angriff auf die Provinzhauptstadt gestartet. Die Attacke der islamistischen Rebellen erfolgte am frühen Montagmorgen aus vier Richtungen gleichzeitig, wie ein Sprecher des Gouverneurs von Kundus sagte. Sicherheitskräfte lieferten sich heftige Gefechte mit den Islamisten. Am Dienstag reist Präsident Aschraf Ghani zu einer internationalen Geberkonferenz nach Brüssel.
Der Behördensprecher Mahmud Danisch sagte, die Sicherheitskräfte seien in der ganzen Stadt im Einsatz, aus einem Distrikt hätten die Aufständischen bereits wieder vertrieben werden können. Die Taliban nutzten Wohnhäuser als Unterschlupf. Demnach befanden sich die Angreifer im südlichen Teil von Kundus, auch in der Nähe des regionalen Krankenhauses.
Aus der Luft nahmen Militärhubschrauber die Angreifer unter Beschuss, wie ein AFP-Reporter berichtete. Kundus wirkte verlassen, die Straßen waren menschenleer und die Geschäfte geschlossen. Ein Einwohner sagte, die ganze Stadt sei von den Taliban eingeschlossen. „Wir sind hungrig“, sagte der 28-jährige Abdullah. Seit dem frühen Morgen seien die Menschen in ihren Häusern gefangen.
Der Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid erklärte, die Islamisten hätten am frühen Morgen aus vier Richtungen angegriffen. Dabei seien zahlreiche Soldaten getötet worden. Außerdem hätten sie vier wichtige Polizei-Kontrollpunkte erobert. Die Taliban seien in Seh Darak, Puchti Maidan und Spin Sar Schaman in die Stadt eingedrungen und machten „schnelle Fortschritte“.
Die Taliban hatten Kundus am 28. September 2015 in einer Blitzoffensive erobert. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten die Stadt erst nach Tagen mit internationaler Unterstützung zurückerobern. Mitte Oktober zogen sich die radikalislamischen Kämpfer endgültig aus ihr zurück. Die Sicherheitslage blieb jedoch instabil.
Während der Kämpfe bombardierten US-Kampfflugzeuge versehentlich ein von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen betriebenes Krankenhaus in Kundus. Bei dem Luftangriff vor genau einem Jahr wurden 42 Menschen getötet, darunter Patienten und medizinisches Personal.
Erst kürzlich gab es einen Friedensvertrag
Insgesamt wurden bei den Gefechten in Kundus nach UN-Angaben 289 Menschen getötet und Hunderte verletzt. In Kundus hatte die Bundeswehr zehn Jahre lang ein Feldlager unterhalten, das 2013 an die afghanischen Sicherheitsbehörden übergeben wurde.
Staatschef Ghani hofft bei der Geberkonferenz in Brüssel am Dienstag und Mittwoch auf Geldzusagen der internationalen Gemeinschaft bis 2020, um das kriegszerstörte Land wiederaufzubauen. Neben EU-Ratspräsident Donald Tusk nehmen unter anderen US-Außenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon teil.
Im September hatte die Regierung in Kabul ein Friedensabkommen mit dem berüchtigten islamistischen Milizenführer Gulbuddin Hekmatjar geschlossen. Menschenrechtsaktivisten kritisieren, dass die Einigung Hekmatjar Schutz vor Strafverfolgung gewährt. Andere Beobachter werten den Vertrag dagegen als wichtigen Schritt zu einer Friedenslösung für Afghanistan.
Die vom Westen unterstützte afghanische Regierung versucht seit Jahren, auch einen Frieden mit den Taliban auszuhandeln, die für die meisten Angriffe am Hindukusch verantwortlich sind.
3 Oct 2016
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