taz.de -- Denis Scheck moderiert jetzt „Kunscht“: Nur nicht rammdösig werden

Der Literaturkritiker Scheck moderiert am Donnerstag „Kunscht!“ im SWR. Seine Redakteursstelle beim Deutschlandfunk hat er gekündigt.
Bild: Denis Scheck moderiert jetzt „Kunscht“

Denis Scheck ist der bekannteste Literaturkritiker der Republik, vor allem dank seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“, durch die er seit 2003 führt. Wenn er einen Superlativ in die Welt pustet, dann kann das schon mal Wirkung zeitigen. In der letzten Ausgabe der Sendung pries Scheck Christian Krachts Roman „Die Toten“ in einem Gespräch mit dem Autor auf nicht mehr zu toppende Weise. Das Buch sei für die Literatur das, was der Tonfilm für den Film gewesen sei. FAZ-Feuilletonchef Jürgen Kaube schimpfte daraufhin, das sei kein Journalismus, sondern „Reklame“, und bemerkte in dem Zusammenhang auch noch, dass Scheck ja „gut bekannt“ sei mit Kracht. „Dass das Fernsehen so etwas als Kultursendung abbucht, ist ein Schwindel“, ergänzte Kaube.

Scheck reagiert darauf auf seine Weise: „Jeder muss für sich entscheiden, welche formalen journalistischen und sprachlichen Mittel er für sein Medium die geeigneten findet. Fernsehen zwingt zur Personalisierung, das heißt, Literatur im Fernsehen muss über die Persönlichkeit der Autorinnen und Kritiker laufen. Die Alternative wären vorgelesene Rezensionen im Stil der alten RAF-Videos“, sagt er gegenüber der taz.

Scheck sagt auch, dass man als Literaturkritiker „auch aufpassen“ müsse, „denn es ist ja durchaus möglich, lesend auf hohem Niveau zu verblöden“ – er erwähnt das aber in einem ganz anderen Zusammenhang, und zwar als eine der Begründungen dafür, warum er fortan auch „über den literaturkritischen Tellerrand hinausschauen“ möchte. Am heutigen Donnerstag moderiert er erstmals das wöchentliche Kulturmagazin „Kunscht!“ im SWR Fernsehen, er folgt damit auf den Kabarettisten Lars Reichow. Der Titel der seit 2014 laufenden Sendung ist ein ironisches Bekenntnis zum schwäbischen Dialekt – und das Problem des Formats war bisher, dass die vermeintliche Witzigkeit des Titels sich auch auf verunglückte Weise in der Ansprache der Zuschauer und der Präsentation der Inhalte niederschlug.

Der gewichtige Scheck wird damit zur Mehrzweckwaffe des SWR, denn die Gesprächssendung „Lesenswert“ präsentiert er für den Sender auch noch.

Ebenfalls verbunden hat man den Namen Scheck bisher mit der renommierten täglichen Deutschlandfunk-Sendung „Büchermarkt“. Seine Redakteursstelle dort hat er aber unlängst gekündigt – nach immerhin 20 Jahren. Der Medienbetrieb ist eine unsichere Branche, aber relativ viel Sicherheit gibt es wenigstens noch im öffentlich-rechtlichen Milieu. Dass jemand eine feste Redakteursstelle aufgibt, ist ungewöhnlich. „Nach 20 Jahren habe ich die Chance, noch einmal etwas Neues anzufangen, gern ergriffen. Sonst wird man ja rammdösig wie ein andalusischer Brunnenesel, der Jahr um Jahr dieselben Runden dreht“, meint Scheck dazu.

Für Scheck war der feste Job aber stets nur einer von vielen: Zu den Fernsehaktivitäten kommen noch Auftritte auf anderen Bühnen. Scheck ist mehrmals im Jahr als Autor, Gesprächspartner oder Moderator im Literaturhaus seiner Geburtsstadt Stuttgart zu Gast, 2016 war das bereits dreimal der Fall. Am morgigen Freitag tritt er im Literaturhaus Köln auf, im Oktober sitzt er dort erneut auf dem Podium. Einmal monatlich gibt er im „Volksstimme-Bücher-Scheck“ – einer Rubrik der Magdeburger Tageszeitung Volksstimme – Empfehlungen.

Redakteure des Hauses sagen, der Deutschlandfunk (DLF) habe, nachdem er über Jahre hinweg sehr großzügig auf Schecks buntes Nebentätigkeitenportfolio geblickt habe, in diesem Jahr darauf gedrängt, dass Scheck sich sämtliche Zweit- und Drittjobs genehmigen lasse. Scheck selbst sagt auf die Frage, ob es Unstimmigkeiten mit den Oberen gegeben habe: „Über 20 Jahre lang hat mich der DLF in allen meinen Aktivitäten gefördert und ermutigt.“

Matthias Gierth, Leiter der Hauptabteilung Kultur beim Deutschlandfunk, sagt: „Sämtliche Nebentätigkeiten unterliegen im Deutschlandfunk einem tarifvertraglich geregelten Beantragungs- und Genehmigungsprozess. Dieser kam und kommt ausnahmslos bei allen Mitarbeitern zur Anwendung.“

Also zurück zu Scheck: „Wo lesen Sie am liebsten?“, wollte 2015 die Volksstimme von ihm wissen. „Sie werden lachen: zu Hause“, antwortete der Kritiker. Scheck hat recht, das ist amüsant. Angesichts seiner vielen Verpflichtungen kann man sich kaum vorstellen, dass er sich über einen längeren Zeitraum zu Hause aufhält.

8 Sep 2016

AUTOREN

René Martens

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