taz.de -- Olympianacht in Rio: Goldhamster, liebevoll beobachtet

Schland holt sein erstes Fußball-Gold und Usain Bolt sein neuntes Sprintgold. Im Fünfkampf bocken die Pferde und Hockey ist ein Weltraumsport.
Bild: Er hamstert Goldmedaillen wie kein zweiter Leichtathlet: Usain Bolt so wie Wolf-Dieter Poschmann ihn sieht

Der Wettkampf der Nacht

Ein Fall für Captain Obvious: Das Finale der 4x100-Meter-Männer-Staffel. Bis zur letzten Übergabe des Staffelstabs ist das Rennen tatsächlich offen. Dann übernimmt Usain Bolt und Jamaika gewinnt in 37,27 Sekunden – kein Weltrekord, aber Gold. Silber geht an Kanada, Japan holt Bronze.

Die Athletinnen der Nacht

Schland hat wieder einen Fußballtitel. Täter dieses Mal: Die deutschen Fußballfrauen. Nach der Weltmeisterschaft 2007 und allen Europameisterschaften seit 1995 gewinnen die Kickerinnen jetzt auch Gold bei Olympia. Das fehlte nämlich noch. 2:1 lautet das Ergebnis am Ende eines spannenden Spiels gegen Schweden, das durch den Anschlusstreffer in der 67. Minute noch einmal Fahrt aufnahm. Der Sieg ist zugleich Silvia Neids letztes Spiel. Die langjährige Trainerin verlässt das Team, Steffi Jones rückt für sie nach.

Die Schlussfolgerung der Nacht

Hockey ist Weltraumsport. Die Offiziellen sind per Headset miteinander verbunden, ihre Gespräche werden mitübertragen. Das erinnert an Sci-Fi-Filme, wo sich immer mit viel Geatme und metallischen Stimmen unterhalten wird. Auch der ultramarinblaue Rasen hat Weltallcharakter, tief und geheimnisvoll – die scheinbar qua Geburt mit Fußball verwachsene Stimme namens Bela Rethy lässt (zumindest in der ZDF-Fernsehübertragung) das Ganze umso entrückter wirken. Als im Frauenfinale dann auch noch Underdog Großbritannien die amtierenden Olympiasiegerinnen aus den Niederlanden nach einem 3:3 im Penaltyschießen weghaut, ist das Schleudertrauma perfekt. Abgespaced, dieser Hockeysport.

Das Drama der Nacht

Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss. Ein zugelostes Pferd springt … im Zweifel gar nicht. Beim Modernen Fünfkampf (Degenfechten, Schwimmen, Springreiten, Laufen, Pistolenschießen) werden die Pferde vom Veranstalter gestellt. Auch in Rio stellt das die weiblichen Fünfkämpferinnen wie schon in der Vergangenheit vor Probleme: Sowohl die deutsche Lena Schöneborn, Olympiasiegering von 2008, als auch die Lettin Laura Asadauskaite, Olympiasiegerin von 2012, sind schon vor dem finalen Laufen und Schießen praktisch chancenlos, weil ihre Pferde jeweils vier Mal den Sprung verweigern. Die Kubanerin Leydi Laura Moya muss gar abtransportiert werden, nachdem ihr Pferd Concordina sie abwirft.

Und sonst?

Was soll nur werden, wenn Wolf-Dieter Poschmann mal nicht mehr ist? Der 65-Jährige spricht so ehrfürchtig und liebkosend über Leichtathletik, als wäre sie keine Sportart, sondern ein süßer kleiner Hamster mit Pausbäckchen.

20 Aug 2016

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Yannick Ramsel

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