taz.de -- Nach Amoklauf in München: Suche nach dem Motiv läuft
Nach den tödlichen Schüssen ist das Motiv des Täters weiterhin unklar. In der Politik gibt es Forderungen nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren.
München/Berlin dpa/rtr | Zwei Tage nach dem Amoklauf von München hat sich die Zahl der Verletzten weiter erhöht. Derzeit sei von insgesamt 35 Verletzten auszugehen, teilte ein Sprecher des Landeskriminalamtes am Sonntag in München mit. Zehn von ihnen gelten weiter als Schwerverletzte. Am Freitagabend hatte ein 18 Jahre alter Schüler am Olympia-Einkaufszentrum im Nordwesten der bayerischen Landeshauptstadt neun meist junge Menschen erschossen und danach sich selbst. Das genaue Motiv des Deutsch-Iraners ist aber weiter unklar.
Die unfassbare Bluttat sorgt weltweit für Entsetzen und Anteilnahme. In der französischen Hauptstadt Paris erstrahlte der Eiffelturm am Samstagabend in Gedenken an die Opfer in den deutschen Nationalfarben Schwarz, Rot und Gold. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Samstag schockiert gezeigt. „Wir denken an Sie, wir teilen Ihren Schmerz, wir leiden mit Ihnen“, sagte sie mit Blick auf die Angehörigen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann forderte, dass bei Terrorlagen zur Unterstützung der Polizei auch die Bundeswehr eingesetzt werden kann. In extremen Situationen wäre es völlig unbegreiflich, wenn gut ausgebildete Soldaten nicht eingesetzt werden dürfen, obwohl sie bereitstehen, sagte der CSU-Politiker der Welt am Sonntag. Die Oberhoheit für den Einsatz müsse aber bei der Polizei bleiben. Das Interview mit Herrmann wurde nach dem Axtangriff von Würzburg und vor dem Amoklauf von München geführt.
Während des Amoklaufs in München wurden Feldjäger der Bundeswehr in Bereitschaft versetzt. Die Bereitschaft sei aufrecht erhalten worden, so lange das Ausmaß des Anschlags nicht klar gewesen sei, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Über einen Einsatz der Soldaten hätte die Polizei entschieden.
Diskussion über schärfere Waffenkontrollen
In der Bundesregierung wird zudem über schärfere Waffenkontrollen diskutiert. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, zunächst müsse ermittelt werden, wie sich der Täter von München die Waffe beschafft habe. „Dann müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt“, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. Die bestehenden Waffengesetze seien bereits sehr streng, sagte de Maiziere. Auf europäischer Ebene sollten mit der zur Verabschiedung anstehenden Waffenrichtlinie weitere Fortschritte erreicht werden.
Vizekanzler Sigmar Gabriel forderte eine bessere Waffenkontrolle. Ein labiler oder sogar psychisch kranker 18-Jähriger dürfe nicht an Schusswaffen gelangen, sagte der SPD-Vorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es müsse alles getan werden, um „den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren.“
Bei dem schrecklichen Geschehen in München war zunächst über Stunden unklar gewesen, ob es sich nicht möglicherweise um einen terroristischen Anschlag handelt. Deshalb war es auch in der Münchner Innenstadt zu teilweise panikartigen Szenen gekommen. Unter den nun 35 Verletzten sind laut LKA auch einige, die sich dabei Blessuren zugezogen hatten.
Bisher kein Bezug zum IS erkennbar
Erst nach und nach war klar geworden, dass es sich um die Tat eines Einzelnen handelte. Die Ermittler gehen inzwischen von einem Amoklauf des jungen Deutsch-Iraners aus, der in München geboren wurde. In seinem Zimmer in der elterlichen Wohnung fanden Ermittler Bücher wie „Amok im Kopf. Warum Schüler töten“. Den befürchteten Bezug zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gebe es nach bisherigen Erkenntnissen nicht, bestätigte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).
Der Täter hatte nach ersten Erkenntnissen von Ermittlern eine Erkrankung „aus dem depressiven Formenkreis“. „Wir haben einige Hinweise dafür, dass eine nicht unerhebliche psychische Störung bei dem Täter vorliegen könnte“, sagte Bayerns Innenminister Herrmann.
Die Getöteten stammten nach Angaben des Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä alle aus München und Umgebung. Zwei 15-Jährige und drei 14-Jährige seien ums Leben gekommen, so die Ermittler. Weitere Opfer seien 17, 19, 20 und 45 Jahre alt gewesen. Unter den neun Todesopfern seien drei Frauen gewesen.
24 Jul 2016
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