taz.de -- Schwedische Ministerin tritt zurück: Zuviel Wein für die Begabte

Alkohol am Steuer: Die Nachwuchshoffnung der schwedischen Sozialdemokratie muss gehen – ein Comeback ist nicht ausgeschlossen.
Bild: Rückzug auf Zeit? Aida Hadžialić auf ihrer vorerst letzten Pressekonferenz

Stockholm taz | Aida Hadžialić gilt als große Zukunftshoffnung der schwedischen Sozialdemokraten. Von einer „sagenhaften Begabung“ schwärmte Ministerpräsident Stefan Löfven, als er sie 2014 als Gymnasialschulministerin in sein rot-grünes Kabinett holte. Mit 27 Jahren war sie nicht nur jüngste Ministerin aller Zeiten, sondern auch die erste muslimische.

Am Donnerstag hatte Hadžialić in Kopenhagen vor dem Besuch eines Konzerts von „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ zwei Glas Wein getrunken. „Überzeugt, dass der Alkohol vier Stunden später verbrannt ist.“ War er aber nicht. Kurz vor Mitternacht bei der Rückfahrt ins heimische Malmö musste sie bei einer Polizeikontrolle pusten. 0,2 Promille. In Schweden exakt die Grenze für „rattfylla“: Trunkenheit am Steuer. Und No-go für eine Schulministerin. Am Samstag erklärte sie ihren Rücktritt. „Ich teile ihre Einschätzung, dass das gravierend ist“, sagte der Ministerpräsident und kündigte an, ihrem Wunsch am Montag entsprechen zu wollen.

Die in Bosnien und Herzegowina geborene Hadžialić war als Fünfjährige mit ihren Eltern nach Schweden geflohen, nachdem bosnisch-serbisches Militär die Familie 1992 aus ihrem Heimatort Foča vertrieben hatte: „Sie sagten: Ihr habt genau eine halbe Stunde.“ Nach der Ermordung ihres politischen Vorbilds, der schwedischen Außenministerin Anna Lindh, hatte sie sich seit 2003 bei den Jungsozialisten engagiert. Mit 19 Jahren wurde sie Stadträtin, mit 23 stellvertretende Bürgermeisterin der westschwedischen Stadt Halmstad.

In der parteipolitischen Debatte hatte die Juristin zuletzt mit einer Attacke gegen die identitätspolitische Fixierung von Teilen der Linken Flagge gezeigt. Sie sprach sich gegen religiöse Freischulen aus und engagierte sich für den Ausbau der Erwachsenenbildung.

Als „tragisch“ bewerteten das Ende ihres ersten Ministeramts nicht nur viele Medienkommentare. Auch Regierungschef Löfven bedauerte: „Es ist ja nicht zum ersten Mal, dass ein toller Mensch eine Dummheit begeht.“ Vorherrschend ist aber auch die Erwartung, dass die ambitiöse Perfektionistin mit ihrem konsequenten Rücktritt die Tür für ein baldiges politisches Comeback offen gehalten hat.

14 Aug 2016

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Schweden
Alkohol
Polizei
Asylrecht
Schweden
Schwerpunkt Flucht
Schweden

ARTIKEL ZUM THEMA

Prozess um eskalierte Polizeikontrolle: Kein Freund und Helfer

In Herford steht ein Polizist wegen Gewaltanwendung während einer Verkehrskontrolle vor Gericht. Nach falschen Angaben droht ihm ein Jahr Freiheitsstrafe.

Verschärftes Asylgesetz in Schweden: Trennung verfolgter Familien

Schweden plant ein Asylrecht, das Familiennachzug erschweren und Aufenthalt beschränken soll. Ein „Scheißgesetz“, sagt die Linkspartei.

Grüner Politiker in Schweden tritt zurück: Minister unter Antisemitismusverdacht

Bauminister Mehmet Kaplan wurde mit türkischen Rechtsextremisten fotografiert. Mit Äußerungen zu Israel manövrierte er sich ins Aus.

Kommentar Abschiebungen in Schweden: Die Botschaft zählt

Mit mehr Abschiebungen will Schweden seinen Ruf als großzügiges Asylland loswerden. So viel zum Zustand der „humanitären Supermacht“.

Schweden verschärft Asylrecht: Flüchtlingsstopp unter Tränen

Schweden erwartet in diesem Jahr 190.000 Flüchtlinge. Nun verschärft es seine Gesetze. Die liberale Einwanderungspolitik ist vorbei.