taz.de -- Kommentar zum Bankenstresstest: Ergebnis ohne Aussage

Der Test war zu lasch, um die wahren Gefahren abzubilden. In der Realität würde keine Bank eine schwere Krise überstehen.
Bild: Mit steinerner Miene: Außenansicht der italienischen MPS-Bank, die im Stresstest den letzten Platz belegte

Sind Europas Banken jetzt sicher? Natürlich nicht. Der „Stresstest“ der europäischen Bankenaufsicht war viel zu lasch, um die wahren Gefahren abzubilden. Es wurde nur modelliert, was passiert, falls die Wirtschaft zwei Jahre lang um jeweils rund 1 Prozent einbricht. Echte Krisen sehen anders aus: Beim letzten Crash im Jahr 2008 sank die deutsche Wirtschaftsleistung hinterher um 5 Prozent.

Aber der Stresstest musste utopisch bleiben, weil realistische Annahmen sofort ergeben würden, dass man alle Banken schließen muss. Denn kein einziges Institut hat ausreichend Eigenkapital, um eine schwere Krise zu überstehen.

Noch immer operieren die Banken vor allem mit fremden Geld – was offiziell auch erlaubt ist. Die internationale Finanz-Richtlinie „Basel III“ schreibt vor, dass die Banken nur 3 Prozent Eigenkapital zur Bilanzsumme benötigen. Das ist nichts. Da reicht schon eine Minikrise, damit dieser kleine Verlustpuffer aufgebraucht ist und der Staat als Retter einspringen muss.

Der Ökonom Martin Hellwig fordert daher, dass die Eigenkapitalquote der Banken bei etwa 30 Prozent liegen müsse – also glatt beim Zehnfachen. Doch derartige Zumutungen haben die Geldinstitute bisher erfolgreich abgewehrt: Wenn sie ihr Aktienkapital erhöhten, müssten sie anschließend viel mehr Dividenden zahlen. Dann bliebe aber weniger Geld für die Boni übrig. Da ist es doch deutlich bequemer, auf den Steuerzahler zu vertrauen, falls es zu einer neuen Krise kommen sollte.

Leider ist ein weiterer Crash sehr wahrscheinlich: Noch immer belaufen sich die Derivatgeschäfte auf 500 Billionen Dollar im Jahr, wie die Statistiken zeigen. Auch hat sich nichts an der Praxis geändert, dass die Banken sich gegenseitig Kredite gewähren – und so ständig neues Geld schöpfen, mit dem sie dann ihre Spekulationsgeschäfte finanzieren. Nach der Krise ist vor der Krise.

31 Jul 2016

AUTOREN

Ulrike Herrmann

TAGS

Bankenaufsicht
Stresstest
Bankenkrise
Finanzen
Bankenkrise
Bankenaufsicht
EZB
EZB
Banken

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Regeln für das Finanzsystem: Zwanzig Jahre nach dem Crash

Basel III ist fertig: Die globalen Regeln, die Finanzkrisen verhindern sollen. Es wurde wieder nur in der Logik des vorhandenen Systems gedacht und gehandelt.

Ökonom über europäische Banken: „Das Geldsystem ist in einer Krise“

Die EZB lässt Risiken nicht bewerten, die sie selbst auslöst, sagt Ökonom Rudolf Hickel. Insofern sei der Stresstest kein Beleg für Bankenstabilität.

Stresstest für Europäische Banken: Rettungsschirm für Testverlierer

Italiens Krisengeldhaus Nummer eins, MPS, hat bei der EBA-Überprüfung am schlechtesten abgeschnitten. Egal – es soll eh bald gerettet werden.

Europäische Bankenkontrolle: Aufsicht mit vielen Ausnahmen

Die EZB übernimmt die Kontrolle über 120 systemrelevante Geldinstitute. Kritiker sehen genau darin einen klassischen Interessenskonflikt.

EZB-Test und die italienischen Banken: Nicht stressresistent

Vor allem italienische Banken haben beim Belastungstest der EZB versagt. Paradox: Eine vermeintlich sichere Anlagepolitik wurde ihnen zum Verhängnis.

Kommentar EZB-Bankencheck: Stresstest bringt's nicht

Der schlimmste Fall, eine Mischung aus Deflation und Rezession, wurde beim Stresstest nicht untersucht. Und genau das schafft wenig Vertrauen.