taz.de -- Aydan Özoguz kritisiert Integrationsgesetz: Was heißt „gute Bleibeperspektive“?
Die Integrationsbeauftragte Özoguz (SPD) bemängelt das Gesetz der Großen Koalition. Der Entwurf sei unpräzise und nehme wenig Rücksicht auf die Einzelfälle.
BERLIN afp | Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) sieht schwere Mängel an dem Integrationsgesetz, das der Bundestag am Donnerstag verabschieden soll. Das Gesetz drohe Migranten von Integration auszuschließen, warnte Özoguz in einem Interview mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
In dem Gesetzentwurf fehle die genaue Definition eines Kernbegriffs – nämlich der „guten Bleibeperspektive“, die „mittlerweile das entscheidende Kriterium beim Zugang zu Sprachkursen und Leistungen zur Ausbildungsförderung“ sei, bemängelte die SPD-Politikerin.
Der Entwurf sei unpräzise und nehme zu wenig Rücksicht auf die Einzelfälle, kritisierte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Es reiche nicht, bei der Bewilligung von Integrationskursen ausschließlich auf die Schutzquote von mindestens 50 Prozent bei Asylanträgen aus einem bestimmten Herkunftsstaat zu schauen.
Zusätzlich müsse die „individuelle Perspektive eines Menschen“ beachtet werden, forderte sie. „Wie lange dauert schon das Asylverfahren? Was hat er oder sie bereits an Integrationsleistungen vollbracht, etwa in der Schule oder bei der Ausbildung?“ Özoguz warnte: „Wir dürfen hier nicht sehenden Auges die Fehler der Vergangenheit wiederholen und Menschen von Integration ausschließen.“
Erst Asylbescheid, dann Integration
Der Bundestag stimmt am Donnerstagabend über das von der schwarz-roten Bundesregierung vorgelegte Integrationsgesetz ab. Das Gesetz sieht für Flüchtlinge mit sicherer Bleibeperspektive unter anderem einen erleichterten Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt vor. Mit Sanktionen muss rechnen, wer einem Integrationskurs oft fernbleibt oder diesen abbricht.
Özoguz forderte in dem Interview ein bundesweites Angebot an Orientierungskursen für alle Asylbewerber – und zwar unabhängig vom Herkunftsland und dem Status ihres Asylverfahrens. „Asylbewerber aus Afghanistan zum Beispiel müssen über ein Jahr auf ihren Bescheid warten.“ Die meisten könnten erst einen Integrationskurs machen, wenn sie anerkannt sind. Das sei „integrationspolitisch unsinnig und extrem kurzsichtig“, sagte Özoguz. „Wir verschleudern wertvolle Zeit.“
7 Jul 2016
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