taz.de -- Stahlkocher in der Krise: „Eine mutige Entscheidung“
Arcelor Mittal bekennt sich vorerst zum Bremer Stahlwerk – doch die Bedrohung durch chinesische Billigimporte bleibt, sagt der Ökonom Rudolf Hickel.
taz: Arcelor Mittal investiert 40 Millionen Euro in das Bremer Stahlwerk. Ist das die Rettung oder eine lebensverlängernde Maßnahme, Herr Hickel?
Rudolf Hickel: Das ist keine Rettung auf Dauer, aber ein klares Bekenntnis zum Standort Bremen und eine mutige Entscheidung. In zwei Jahren hätte der zweite Hochofen sonst aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden müssen. Wäre diese Investition ausgeblieben, hätte das schnell zum Todesstoß für das Bremer Stahlwerk führen können. Und der ist vom Arcelor Mittal nicht gewollt.
Die IG Metall sagt: „Die Investition sichert die Zukunft des Werkes und die Arbeitsplätze.“ Ist es angesichts der Krise der Branche so einfach?
Nein. Die Großwetterlage auf den Weltstahlmärken ist immer noch schlecht. Die Investition ist ein erster Schritt, verbunden mit der Botschaft: Wir lassen uns nicht in die Knie zwingen. Die großen Risiken bleiben aber: Dazu gehören die Belastungen durch das Energieeinsparungsgesetz und natürlich der nach wie vor gigantische Import des – durch staatliche Subventionen billigen – Stahls aus China.
Wie stark gefährdet der das Bremer Stahlwerk?
Stahl ist ein hochwertiger Werkstoff der Zukunft. Aber: Die Preise für Stahl, die durch die unfaire Konkurrenz auf dem Weltmarkt durchgesetzt werden, liegen weit unter den Herstellungskosten. Zugleich wird in China nicht mehr nur Massenware produziert, sondern auch hochwertigere Sorten. So lag 2015 der Preis für eine Tonne Kaltwarmblech für Nordeuropa bei 476 Euro und für China-Importe bei 385 Euro. Eine Ursache sind höhere Kosten in der EU durch die ökologisch modernsten Standards.
Der Stahl aus China verursacht viel mehr CO2-Emmissionen als der hier produzierte. Brauchen wir also mehr Protektionismus?
Wir brauchen fairen Wettbewerb, deswegen hat die EU schon die ersten Strafzölle verhängt. Dieser Protektionismus dient nur dem Ziel, auf dem Weltmarkt faire Bedingungen herzustellen.
Weltweit sinkt die Nachfrage nach Stahl. Warum?
Weil die Weltproduktion, die die Nachfrage nach Stahl bestimmt, schrumpft! So erhöht der Wachstumsrückgang in China den Druck auf den Export von Stahl – der im Inland weniger nachgefragt wird.
Die Kosten steigen durch den Emissionshandel künftig weiter an. Was bedeutet das für das Stahlwerk?
Das ist natürlich eine deutliche Belastung. Man muss die Techniken, die zu einer Reduktion von Umweltbelastungen führen, stärker fördern. Denn die Hälfte der Investitionen der Stahlwerke in den letzten 20 Jahren ist ökologisch motiviert – nicht immer aus Einsicht, sondern weil dies zu Kostenersparnissen führt.
Die Mitarbeiter des Bremer Stahlwerkes verzichten jetzt auf Geld. Wie viel nutzt das mit Blick auf China überhaupt?
Das Modell wurde bei früheren Stahlkrisen schon angewandt. Diese Maßnahmen wirken sofort kostensenkend. Verglichen mit einer Abschaffung der Jobs ist die Summe gerechtfertigt. Schließlich erbringt der Konzern eine Gegenleistung. Dabei ist die Konkurrenz der einzelnen Standorte innerhalb des Konzerns riesig. Insofern wird das leistungsfähige Stahlwerk Bremen anerkannt.
In den letzten Jahren hat die Branche zehntausende Jobs gestrichen. Wie sicher sind die Jobs in Bremen?
Ohne diese Investition hätte es sicher eine massiven Arbeitsplatzabbau gegeben. Damit es dabei bleibt, muss gegen die massiven Risiken vor allem durch das China-Dumping vorgegangen werden.
11 Jul 2016
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