taz.de -- EMtaz: Russische Hooligans: Ultrarechter Mainstream
Die Uefa verurteilt den russischen Verband wegen seiner Hooligans. Ein ultrarechter Fanvertreter mit Akkreditierung fährt durch Frankreich.
Berlin taz | Es wird ernst für die Russen. Die Europäische Fußballunion Uefa hat gegen den Blocksturm russischer Hooligans nach dem Schlusspfiff der Partie Russland gegen England am Samstag in Marseille ein Urteil gesprochen. 150.000 Euro Strafe muss der russische Verband zahlen und darf nur noch auf Bewährung beim Turnier mitspielen. Sollte sich Ähnliches wie in Marseille wiederholen, wird Russland vom Turnier ausgeschlossen.
Im Stade Vélodrome von Marseille war es nicht nur zu körperlicher Gewalt gegen englische Fans gekommen, im russischen Block wurden auch Böller und Silvesterraketen gezündet und rassistische Sprechchöre gesungen. Alle Aufmerksamkeit gilt nun Lille, wo Russland am Mittwoch (15 Uhr, ARD) gegen die Slowakei spielt.
Auch die Behörden in Frankreich haben auf das Desaster von Marseille reagiert und erste Fans ausgewiesen. Nachdem die Polizei in Frankreich dafür kritisiert worden war, dass sie nach den Ausschreitungen keinen einzigen Hooligan aus Russland verhaftet hat, wollte man am Dienstag endlich klare Kante zeigen.
Solche Leute hätten auf französischem Territorium nichts verloren, meinte Premierminister Manuel Valls, nachdem 29 Fans identifiziert worden sind, von denen die Polizei annahm, sie seien an den Gewaltexzessen rund um das Spiel der russischen Nationalmannschaft beteiligt gewesen.
Der Bus, in dem sie unterwegs nach Lille waren, wurde in der Nähe von Nizza angehalten, den Insassen die Ausweisungsentscheidung mitgeteilt.
Fragwürdiger Zeuge
Wer die Geschichte verfolgen wollte, wurde über den Twitteraccount von Alexander Schprygin auf dem Laufenden gehalten. Schprygin ist als Vertreter des Allrussischen Verbandes der Fußballfans bei der Europameisterschaft unterwegs, als solcher wurde er Zeuge eines Einsatzes der französischen Polizei. Schprygin saß in dem Bus mit den 29 Fans, die zur sofortigen Ausreise verdonnert wurden. Er berichtete, dass zwei Frauen unter den Ausgewiesenen seien. Außerdem twitterte er ein Foto eines älteren Herren, der im Bus schlief. Alles brave Menschen?
Das darf zumindest bei Schprygin selbst in Zweifel gezogen werden. Der russische Oberfan hat eine finstere Vergangenheit in der extrem nationalistischen Szene Russlands. Das antirassistische Fannetzwerk Fare, das während der EM durch Frankreich reist, um rassistische Vorfälle zu dokumentieren, hat darauf aufmerksam gemacht, dass Schprygin rechten Ultragruppierungen nahesteht.
Es existiert ein Bild von ihm, das ihn während eines Konzerts der ultrarechten Rockband Korrosija Metalla mit Hitlergruß zeigt. Die Band, die in ihren unverhohlen rassistischen Texten schon mal zum Kampf gegen „die südasiatischen Tiere“ aufruft, bebildert ihre Plattencover mit Hakenkreuzen oder Porträts von Adolf Hitler.
Dass ein Mann, der Fan einer solchen Band ist, sich mit einer offiziellen Akkreditierung des russischen Fußballverbands in Frankreich aufhält, ist ein Skandal. Ein weiterer in der Reihe von Skandalen, die sich rund um den EM-Auftritt der russischen Mannschaft ereigneten. Auch dieser Vorfall verdeutlicht, dass Ultranationalisten und Hooligans Teil des russischen Mainstreams sind.
Sportminister jubelt Hooligans zu
Der russische Sportminister Witali Mutko, der gleichzeitig Präsident des Russischen Fußballverbands ist, gibt sich seit der Meldung über den drohenden Ausschluss Russlands von der EM recht kleinlaut. Trotzdem werden die Bilder unvergessen bleiben, die zeigen, wie er den russischen Fans, die sich gerade aufgemacht haben, den englischen Block zu stürmen, zugejubelt hat.
Auch die Tweets des Duma-Abgeordneten Igor Lebedew von der Liberaldemokratischen Partei zeigen, dass der Hooliganismus in Russland nicht gerade im gesellschaftlichen Abseits steht. „Ich kann nichts Schlimmes an kämpfenden Fans finden. Im Gegenteil, gut gemacht Jungs. Weiter so!“, hat er gezwitschert.
Fanvertreter Schprygin gelang es Dienstagabend, den russischen Generalkonsul an den Ort der Buskontrolle zu bestellen. Der beobachtete, wie die Personalien der Businsassen kontrolliert wurden. Bis auf die beiden Frauen wurde alle von der Polizei nach Marseille gebracht und bleiben 24 Stunden in Gewahrsam.
14 Jun 2016
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